: Marzahner sind die Müll-Weltmeister
■ Im Ostbezirk wird doppelt soviel Hausmüll als im Berliner Durchschnitt entsorgt / Ratlose Wohnungsbaugesellschaft
In Marzahn fällt weit mehr Hausmüll an als in anderen Berliner Bezirken. Nach einem von der „Wohnungsbaugesellschaft Marzahn“ (WBG) in Auftrag gegebenen und jetzt veröffentlichten Gutachten war 1993 die Abfallmenge in Marzahn mit 240 Litern pro Wohneinheit und Woche zweimal so hoch wie im Berliner Durchschnitt. Da der Anteil der Hausmüllentsorgung an den Betriebskosten bis heute kaum gesunken ist, hält Marzahn nach Ansicht der WBG auch heute noch den Spitzenplatz.
Warum gerade im größten Neubaugebiet im Ostteil Berlins die Mülleimer so häufig überquellen, weiß auch die WBG Marzahn nicht. „Wir haben jedoch den Eindruck, daß sich in einigen Gebieten, wie in Marzahn-Ost und Ahrensfelde-Süd, das abfallbewußte Einkaufen, das getrennte Entsorgen und damit das Einsparen von Betriebskosten erst noch durchsetzen muß“, sagt die Pressesprecherin der WBG Marzahn, Birgit Hoplitschek. In Marzahn leben etwa 108.000 Menschen in den Neubauten und Hochhäusern der WBG. Die „Andere Systementsorgungs-Gesellschaft mbh“ (DASS) kann diese Einschätzung dagegen nicht bestätigen. Die DASS setzt seit 1991 das duale System in Berlin um und hat im Osten der Stadt gute Erfahrungen gemacht. „Auch in Marzahn wurden die Recyclingcontainer relativ gut angenommen“, sagt Ulrike Gross von DASS. Sie vermutet, daß sich dabei die DDR-Tradition, Rohstoffe wiederaufzubereiten, positiv ausgewirkt hat. Allerdings sei die „Vermüllungsquote“ der Recyclincontainer in ganz Berlin überdurchschnittlich hoch.
Anola Schlegel vom Bürgerbüro „Plattform Marzahn“ hat für das hohe Müllaufkommen nur eine Erklärung: „Viele Marzahner sind noch dabei, sich neu einzurichten. Außerdem ziehen ständig neue Mieter hierher. Dabei fallen viele Sachen an, die entsorgt werden müssen.“ Gert Jordan von „Ökologische Konzepte e. V.“ verweist zudem auf die Ergebnisse einer Untersuchung, die das „Institut für ökologisches Recycling“ im Neubauviertel Marienfelde-Süd durchgeführt hat: Dort war das duale System wenig erfolgreich, was vor allem auf die Anonymität in der Siedlung zurückgeführt wurde. „Es gab keine soziale Kontrolle, wenn sich ein einzelner nicht ökologisch korrekt verhielt“, so Gert Jordan.
Die WBG Marzahn hofft, durch eine „Schönheitskur“ der Müllstandorte „den bewußten Umgang der Mieter mit dem Müll zu fördern“. Bis Ende 95 sollen 140 der Abfallareale vor den Häusern mit rankenden Pflanzen verschönert, mit Wertstoffcontainern ausgestattet und mit Schlössern gesichert werden. Dadurch soll auch der Mißbrauch durch Unbefugte verhindert werden. Schließlich machten die „gestiegenen Preise für die Abfuhr einen beachtlichen Teil der Betriebskosten aus“, so Birgit Hoplitschik. Ole Schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen