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Mehr als nur ein Berliner Intrigenspiel

Soll Amnon Barzel, streitbarer Leiter des Jüdischen Museums in Berlin, vom Senat geschaßt werden?  ■ Von Simona Seiffarth

Als der Berliner Kultursenator Ulrich Roloff-Momin im Juli vergangenen Jahres den Kunsthistoriker Amnon Barzel der Presse als neuen Direktor des Jüdischen Museums präsentierte, war die Welt noch in Ordnung. Barzel, langjähriger israelischer Kommissar der Biennalen in Venedig und São Paulo, später Direktor des Museo Luigi Pecci für zeitgenössische Kunst in Prato bei Florenz, sei, so frohlockte Roloff-Momin, „ein international profilierter Ausstellungsmacher und Museumsmann von höchstem Renommee“.

Daß sich das Verhältnis inzwischen stark abgekühlt hat, ist seit längerem ein offenes Geheimnis. Doch der Riß zwischen Barzel und der Kulturverwaltung ist offenbar tiefer, als allgemein angenommen. So hat Reiner Güntzer, Museumsreferent des Kultursenators, bereits im Februar dieses Jahres, also nur acht Monate nach der Einstellung Barzels, in einem internen Papier an Kultursenator Roloff-Momin die Ablösung des Direktors des Jüdischen Museums gefordert. Dieser neunseitige „Vermerk“ basierte auf einem Protokoll, das nach einer Einladung im Hause Güntzer verfaßt wurde.

Am Abend des 31. Januar trafen sich Barzel und Güntzer in dessen Privatwohnung zum Wein, um „in Ruhe“ über die Situation des Jüdischen Museums zu sprechen. Mit anwesend: Dominik Bartmann, kommissarischer Leiter des Berlin-Museums, der, wie Güntzer später an seinen Dienstherren schrieb, an jenem Abend „die Moderatorenrolle“ übernahm. Man tauschte Argumente, und gegen 23 Uhr verließ Barzel den Ort des Geschehens. Die Diskussion verlief in „offenem, aber freundschaftlichem“ Ton. „Endlich“, so Güntzer, habe man eine „persönliche Gesprächsebene“ hergestellt und „Mißverständnisse ausgeräumt“.

Bartmann, der damals noch etwas länger blieb, mahnte indes zur Vorsicht: Er habe „schon einige Male“ erlebt, daß „durch Gespräche mit Barzel geschaffene offene Situationen nur wenige Zeit später wieder in die Ursprungsstarre verändert würden“. Doch dann war es Güntzer, der seine Meinung revidierte. In dem „Vermerk“ an Kultursenator Roloff-Momin vom 7. Februar vermeldete er nun, die Lage sei „sowohl im persönlichen als auch im sachlichen Bereich völlig verfahren“. Deshalb schlage er vor, Barzel seines Amtes zu entheben und auf den Posten des Direktors des Ostberliner Centrum Judaicums (CJ) wechseln zu lassen. Im Gegenzug sollte CJ-Leiter Ernst Simon Direktor des Jüdischen Museums werden.

Gleichzeitig plädierte Güntzer dafür, dem Jüdischen Museum zwei Mitarbeiter der Kulturverwaltung zuzuteilen und spickte das interne Papier überdies mit allerhand Unterstellungen. Angeblich habe sich Barzel seinerzeit auf den Direktorenposten des Jüdischen Museums beworben, ohne eine genaue Vorstellung von den Aufgaben zu haben, die ihn dort erwarteten. Auch sei Barzel „von seiner Vorbildung her eher ein Ausstellungsmacher als ein Museumsmann“ – eine merkwürdige Ansicht: Schließlich gründete Barzel, bevor er nach Berlin kam, das Museo Luigi Pecci in Prato, das er sieben Jahre lang leitete. Damit nicht genug: Barzel stelle, beklagte Güntzer, „dreiste“ personelle Forderungen. In der Tat hatte Barzel sich über die ihm vom Märkischen Museum zugeteilte Sekretärin beschwert, jedoch nicht ganz ohne Grund: Sie spricht keine einzige Fremdsprache. Güntzer aber sah nur eine Möglichkeit: „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ Mehr als nur ein Intrigenspiel wird die Angelegenheit dadurch, daß Reiner Güntzer sich derzeit anschickt, Generaldirektor der Stiftung Stadtmuseum Berlin – und somit direkter Vorgesetzter von Amnon Barzel – zu werden. Wer glaubt, bei dieser Kontroverse handele es sich also nur um eine reine Personalie, der irrt. Was Barzel und die Berliner Kulturverwaltung trennt, ist die grundsätzliche Vorstellung davon, was das Jüdische Museum leisten soll. Barzel will aus dem Jüdischen Museum einen Ort für lebendigen Kulturaustausch machen. Er plant, in seinem Haus nicht nur liturgische Gegenstände zu präsentieren, sondern den Libeskind-Bau mit Ausstellungen internationaler Künstler zu bespielen, um „jüdische Themen“ wie Ausgrenzung, Verfolgung, Exil und Verlust auf eine zeitgenössische Ebene zu heben. Barzels Jüdisches Museum soll so attraktiv wie möglich sein. Nur so, meint der Direktor, könne man heutzutage eine Ahnung dessen heraufbeschwören, was den Anteil der Juden am kulturellen Leben vor dem Holocaust ausgemacht habe.

Güntzer hingegen hat, stellvertretend für die Kulturverwaltung, hinlänglich klarwerden lassen, daß ein solches Museum mit ihm nicht zu realisieren sein wird. Als Passepartout-Argument dient dem Verwaltungsjuristen dabei der Hinweis auf die prekäre Lage des Berliner Kulturhaushalts. Und es ist schon richtig: Mit den 20 Millionen Mark, mit denen das Stadtmuseum Berlin, ein Konglomerat von mehr als einem Dutzend bislang eigenständiger Institutionen, haushalten muß, ist nicht viel Staat zu machen. Die sieben Millionen Mark, die Barzel für den Aufbau seines Hauses fordert, sind dort jedenfalls nicht zu holen.

Was daher not tut, ist eine grundlegende Entscheidung. Denn vergleicht man Barzels finanzielle Wunschvorstellungen mit den Etats anderer städtischer Museen im Bundesgebiet, relativieren sich seine Forderungen. In München, der heimlichen Kulturhauptstadt im Süden der Republik, stehen der städtischen Galerie im Lenbachhaus, vor gut einem Jahr um den Kunstbau am Königsplatz erweitert, allein rund zwanzig Millionen Mark jährlich zu. Nicht eingerechnet ist dabei das äußerst agile Stadtmuseum am Josephsplatz, das über einen Etat ähnlicher Größenordnung verfügt.

Die Berliner Kulturverwaltung scheint unterdessen wild entschlossen, das hiesige Stadtmuseum, das man stolz das „größte in Europa“ nennt, auf Sparflamme köcheln zu lassen. Bezeichnend hierfür ist ein Ausspruch des designierten Stadtmuseumschefs Güntzer, der alle Qualitäten hat, zu einem geflügelten Wort zu werden. Der architektonisch spektakuläre Libeskind- Bau, so der Kulturmanager, sei für sich genommen schon so attraktiv, daß er in den kommenden fünf Jahren allein aufgrund seines Äußeren Besuchermassen anziehen würde – da könne der Bau eigentlich sogar leer bleiben.

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