: Nur eine Frage der Statistik
■ Unfruchtbarkeit ist doch nicht so häufig, wie bisher angenommen wurde
Ungewollt kinderlos. Niemand weiß, wie viele Paare in Deutschland betroffen sind. Bisherige Schätzungen schwanken zwischen sechs und fünfzehn Prozent, doch auch diese Zahlen sind ungenau und oft von einer bestimmten Absicht motiviert – zum Beispiel, um die Reproduktionsmedizin zu rechtfertigen. Eine unter Federführung der Universität Potsdam durchgeführte Studie liefert jetzt erstmals genauere Zahlen.
Unter Leitung von Professor Hans Georg Neumann befragten Wissenschaftler des Instituts für Gesundheitswissenschaften einen repräsentativen Querschnitt von 1.500 Frauen aus städtischen und ländlichen Bezirken. In Gesprächen und mittels Fragebögen gaben die Frauen unter anderem Auskunft über die Zeiträume, in denen es trotz Nichtverhütung zu keinen Schwangerschaften kam. Das Ergebnis der Studie ist überraschend: Nicht sechs oder gar fünfzehn sondern lediglich 2,2 Prozent der Frauen waren zum Zeitpunkt der Untersuchung unfruchtbar. Die großen Abweichungen sind durch unterschiedliche Erfassungskriterien entstanden. In der bisherigen Statistik wurden auch gewollt kinderlose Ehepaare und Frauen ohne Sexualpartner mitgezählt. Zudem wurde Sterilität schon dann angenommen, wenn trotz Kinderwunsch nach einem Jahr noch keine Schwangerschaft eingetreten war.
Zum Zeitpunkt der Befragung warteten 3,7 Prozent der Frauen länger als zwölf Monate auf eine Schwangerschaft. Womit zusammen mit der Rate unfruchtbarer Frauen der bisherige untere Schätzwert erreicht wird. Doch hat die Studie auch ergeben, daß bei jeder fünften Geburt über ein Jahr gewartet wurde. Dieses Kriterium scheint also nicht haltbar.
Nicht jede Schwangerschaft muß auch zur Mutterschaft führen. Bei jeder vierten Frau kam es mindestens einmal im Leben durch Spontanabort, Totgeburt oder Schwangerschaftsabbruch nicht zum Kind. Hinsichtlich der Gründe zeigt die Studie tendenzielle Verbindnungen zwischen ausbleibender Empfängnis und beruflicher Faktoren wie zum Beispiel Streß auf. Bei Raucherinnen gibt es einen statistischen Zusammenhang zwischend der Zahl pro Tag gerauchter Zigaretten und der Wartezeit auf eine Schwangerschaft. Die Frage, nach dem Einfluß der rauchenden Väters blieb bei der Untersuchung jedoch außen vor. Uwe Springfeld
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