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Kohlfahrt mit Musike

■ „Pier 2“, ein alter AG-Weser-Schuppen, soll ab Oktober der Stadthalle Konkurrenz machen

Das wird mal 'ne Halle für's Volk“, sagt Heiner Hellmann. Seine Stimme schallt sakral durch den riesenhaften Stahl- und Blechbau. Na, die Akustik soll bald auch kein Problem mehr sein: 1,6 Millionen Mark wollen Hellmann und seine GeHeWo Gastronomie GmbH in die leerstehende „Hojo-Halle“ in Gröpelingen investieren, um daraus ein neues Veranstaltungszentrum zu machen. Unter dem Namen „Pier 2“ soll es Platz für Popkonzerte, Tanznächte, Flohmärkte uvam. bieten. Damit hoffen Hellmann & Co., die bisher das „Modernes“ in der Neustadt betreiben, eine Lücke auf dem Veranstaltungsmarkt zu füllen. Gruppen, denen z.B. „Modernes“ und „Aladin“ zu klein waren, die Stadthalle aber zu groß, sollen ab Oktober an „Pier 2“ andocken. Mit 2800 Plätzen bietet man vor allem der öden Halle IV der Stadthalle Konkurrenz – Hellmann hofft, sogar manches Ereignis und manchen Gast aus Hannover und Hamburg abzuwerben.

Was für die privaten Betreiber der Halle ein einträgliches Geschäft werden soll, ist für Bremen „ein wichtiger Mosaikstein im Rahmen der Idee ,Stadt am Fluß'“. So zumindest stellte es ein Vertreter der „Bremischen“ gestern auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit den neuen Inhabern dar. Musik in „Pier 2“, Kunst im benachbarten „Lichthaus“ – „das holt die Gröpelinger und die Besucher Gröpelingens wieder ans Wasser zurück“, so der Prokurist Dieter Cordes. Mit der Ansiedlung der neuen Kulturbetriebe würden auch die Ziele erfüllt, die die „Bremische“ 1992 als Sanierungsträgerin für Gröpelingen und das ausgediente AG-Weser-Gelände abgesteckt hatte: Betonung von „Kultur, Freizeit und Sozialem“ und „Zugang zum Weserufer“.

Letzteres soll durch den geplanten Fähranleger gewährleistet werden. Dort soll das Kulturpublikum aus der City bzw. aus Bremerhaven anlanden – direkt vorm Eingangstor von Hellmanns neuen Veranstaltungshaus. Am ersten Septemberwochenende können die BremerInnen schon mal probefahren. Dann wird „Hal Över“ die Gäste zum ersten „Weserfest“ – eine Initiative der beiden Kulturhäuser – in den Gröpelinger Hafen schippern. Wahrscheinlich aber nur zweimal täglich, schätzt man vage beim „Lichthaus“-Verein. Später, so malt es sich Heiner Hellmann aus, soll die Fahrt nach „Pier 2“ nur eine Mark kosten oder schon im Konzertticket inbegriffen sein. Aber wann der Fährbetrieb zuverlässig läuft, das steht nicht in seiner Macht: Erst nämlich muß der „Space Park“, ebenfalls auf dem alten AG-Weser-Gelände geplant, konkretere Formen annehmen; dann erst würde sich der Bau des Fähranlegers für die Stadt Bremen lohnen.

Das kann sich ziehen, wie Hellmann weiß. Denn auch die Pläne für „Pier 2“ sind schon fünf Jahre alt. Solange hatte sich der Wirtschaftssenator geziert und um die künftige Nutzung des abgewrackten Werftgeländes gerungen: mehr Schwerindustrie, mehr Gewerbe, mehr Kultur oder ein bißchen was für den Stadtteil? Der damalige Senator Claus Jäger (FDP) „wollte alles offenhalten und nichts ermöglichen“, sagt der „Bremische“-Prokurist Cordes heute. Erst mit der Favorisierung des Wunschgebildes „Space Park“, und somit einer Festlegung auf einen touristisch und kulturell angehauchten Charakter, durfte auch die alte „Hojo-Halle“ an Privat verkauft werden. 900.000 Mark mußte die GeHeWo Gastronomie GmbH dafür zahlen – „irrsinnig billig“, wie Hellmann frohlockt.

Gleichviel: Ein unternehmerisches Risiko bleibt auf „Pier 2“. Subventionen staatlicherseits gab und gibt es keine, wie Hellmann betont. Wohl auch deshalb will er sich auf kein inhaltliches Profil festlegen, um keine potentielle Kundschaft zu verschrecken. Die „Halle fürs Volk“ wird erstmals am 3. Oktober für die Teenieband „Die Ärzte“ geöffnet; eine „Tattoo Convention“ hat sich für später angesagt; ab Dezember gibt es einen monatlichen Flohmarkt in Konkurrenz zur frostigen Bürgerweide; selbst Kohlfahrten will „Pier 2“ im Winter veranstalten.

Mit Konzerten und Tanznächten allein, weiß Hellmann, ist der Gewinn nämlich längst nicht garantiert. Seit Discjockeys zu Stars avanciert sind, mit Gagen bis zu 10.000 Mark pro Nacht, lohnt sich der Aufwand selbst für mittelgroße Tanzschuppen kaum mehr. Auch bei Preisen bis zu 30 Mark fürs Tanzvergnügen und 3000 zahlenden RaverInnen habe mancher Veranstalter in jüngerer Vergangenheit schon rote Zahlen geschrieben, sagt Hellmann. In seiner umgebauten Industriehalle soll daher „nicht die klassische Samstagsdisco“ ablaufen – da würde Hellmann ja auch seinem eigenen Laden in der Neustadt Konkurrenz machen.

tw

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