: „Das Embargo fällt nach und nach“
■ Erstmals war eine offizielle deutsche Delegation nach dem Golfkrieg auf einer Sondierungsreise bei der irakischen Regierung
Anfang August hielt sich Peter Jungen, Vorstandsmitglied des deutschen Nah- und Mittelost-Vereines zusammen mit einem Kollegen, einem Unicef-Vertreter und einem Altorientalisten in Bagdad auf. Sie trafen dort den irakischen Vizeministerpräsidenten Tarik Aziz und Ölminister Amir Rashid. Der ehemalige Strabag-Manager Jungen hatte es 1990 geschafft, 180 von Saddam Hussein festgehaltene Deutsche freizubekommen.
taz: Was war jetzt Ihre wichtigste Aufgabe im Irak?
Jungen: Unsere wichtigste Aufgabe war, möglichst viele Informationen zu sammeln über die Lage im Irak und über Fragen, die mit dem bilateralen Verhältnis zusammenhängen – insbesondere für die Zeit nach dem Embargo.
Wann rechnen Sie mit einem Ende des Embargos?
Ich habe keinen Zeitplan dafür. Ich glaube, es wird eine schrittweise Entwicklung geben.
Was wird das Betätigungsfeld deutscher Firmen im Irak?
Ich sehe einen Ansatzpunkt insbesondere im Wiederaufbau der Infrastruktur – ob das nun das Eisenbahnnetz oder das Verkehrssystem ist. Dazu gehören sicher auch größere Bauvorhaben. Dabei wird es allerdings nicht mehr so wie früher sein, daß das allein deutsche Unternehmen machen werden.
Warum nicht?
Der Irak hat in den letzten Jahren viele Projekte selbständig durchgeführt. Ich denke, daß das, was er dabei gelernt hat, auch in Zukunft angewandt werden wird, zum Beispiel beim Bau von größeren Infrastrukturprojekten, aber auch im Wohnungsbaubereich, in dem ein großer Bedarf besteht.
Orientiert Deutschland sich nicht etwas spät im Irak?
Sie spielen darauf an, daß andere Länder Industriedelegationen geschickt haben. Wir waren ja dort als vier Deutsche, die aus ganz verschiedenen Lebensbereichen kommen und eine Sondierungsreise gemacht haben. Die irakische Seite hat jedoch ein großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Deutschland. Ich denke, wenn die deutschen Unternehmen nach Aufhebung des Embargos wollen, dann werden sie beteiligt sein. Die andere Frage ist, ob auf den Gebieten, auf denen in den siebziger Jahren die deutschen Unternehmen im Irak stark waren, immer noch die irakischen Prioritäten liegen. Zum Beispiel in der Frage Ölfeldausrüstung gibt es sicher Firmen, die über eine breitere Erfahrung verfügen.
Sie haben in Bagdad auch die Geiselnahmen angesprochen. Damit haben Sie ja große Erfahrungen ...
Ich habe bestenfalls Erfahrung mit der Befreiung von Geiseln. Aber es ist richtig: Wir haben der irakischen Seite gesagt, daß dies ein Grund für die Zurückhaltung deutscher Unternehmen ist und die öffentliche Meinung deshalb dem Irak gegenüber nicht immer nur freundlich ist. Interview: Barbara Geschwinde und Björn Blaschke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen