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Gutmütigkeit bringt Geld

■ China in Bremen (2) – heute: ein besonderer China-Laden Von Ming Yin und Yu Xi

Chen, das 17jährige Mädchen aus China, kommt täglich zu dem Laden ihrer Eltern in der Birkenstraße, um ihrer Mutter Frau Zhou zu helfen. Die beiden Frauen aus zwei Generationen haben die gleiche Frisur: kurz, steif und einfach. Sie haben sich auch beide schlicht und schmucklos in schwarzweiß gekleidet. Ihre liebenswürdige und freundliche Miene, sowie die ordentlichen Regale im Laden zeigen schon ganz genau den Fleiß und die Sparsamkeit dieser Familie.

Der Laden ist ungefähr 60 qm groß. Dort steht der geschnitzte Wandschirm aus Holz für 10.000 Mark neben der kleinen Schildkröte aus Stein, die nur ein paar Dutzend Pfennig kostet. Die typischen asiatischen Lebensmittel wie Toufu und Sojasprossen, sowie die Majiang-Karte, dem Landesspiel der Chinesen, kann man auch bei Frau Zhou finden. Die Besucher dieses Ladens sind nicht nur aus China und Asien, sondern auch aus Deutschland und Afrika. Sie interessieren sich für exotische kunsthandwerkliche Waren und gesunde asiatische Lebensmittel. „Zu Weihnachten ist solche Vase aus Porzellan sehr gefragt. Die Leute hier sehen sie als ideales Weihnachtsgeschenk“, Frau Zhou zeigt eine ihrer wunderschönen Vasen und erzählt lächelnd, „die handgeschnitzten Tiere aus Stein und das Holzspielzeug sind auch sehr beliebt.“

Den Laden hat Herr Zuliang Chen, Ehemann von Frau Zhou, 1991 in Bremen eröffnet. Herr Chen arbeitete früher in der Baustoff-Branche in seiner Heimat, Qingtian, einem ziemlich kleinen Ort an der Süd-Ost-Küste Chinas. Der Ort ist in China sehr bekannt. Die Einwohner haben dort seit mehr als 100 Jahren die Tradition, die Heimat zu verlassen und nach Europa auszuwandern. Wenn Sie, lieber Leser oder liebe Leserin, irgendwo in einer kleinen Ecke auf der Welt einen Chinesen treffen, kann es gut möglich sein, daß er Qingtianer ist. 1990 kam Herr Chen mit der Hilfe seiner Freunde als der Erste der Familie nach Deutschland. Er machte ein Geschäft auf und bekam wegen der hohen Investition seine Aufenthaltsgenehmigung. 1992 sind seine drei Töchter und seine Frau nacheinander nach Bremen gekommen. Heute kann die ganze Familie endlich zusammen in ihrer zweiten Heimat leben, in einer ca. 120 qm Wohnung in der Nähe des Hauptbahnhofs.

Herr Chen ist heute noch als Kaufmann selbständig, beschäftigt sich mit Im- und Export zwischen Deutschland und China. Er pendelt deswegen sehr häufig zwischen Bremen und den verschiedenen Städten in China. Seine Frau Zhou kümmert sich dann zu Hause in Bremen allein um ihren Laden und Haushalt, als tüchtige berufstätige Frau, gleichzeitig auch als Hausfrau und Mutter. Frau Zhou ist sehr stolz auf ihre drei Töchter. Zu Hause helfen sie ihrer Mutter beim Haushalt und in der Schule sind sie ausnahmslos fleißige und beliebte Schüler. Sie wissen ganz genau: ohne Fleiß keinen Preis. Die älteste Tochter der Familie hilft mit ihren 19 Jahren nun schon dem Vater, in Warschau ein zweites Geschäft aufzubauen. Die zweite Tochter ist schon die rechte Hand im Geschäft für die Mutter, denn sie kann sehr gut deutsch sprechen. Aber vor fünf Jahren, als sie gerade aus Qingtian in Deutschland gekommen war, konnte sie noch kein Wort Deutsch. Sie hat jetzt die zehnte Klasse der Schule abgeschlossen. Das jüngste Mädchen der Familie ist erst 14 Jahre alt, geht noch auf die Schule. In der Schule ist sie eine gute Schülerin und wird sehr oft von den Lehrern gelobt. In Mathematik und Deutsch ist sie fast am besten in ihrer Gruppe, die aus zwei türkischen Kindern und einem chinesichem Kind – nämlich der kleinen Chen – sowie den deutschen Kindern besteht.

In China wird gesagt, Gutmütigkeit kann Geld bringen. Frau Zhou weiß gut, auf die Wünsche ihrer Kunden einzugehen. Wenn die Kunden bei ihr nach einem bestimmten Artikel fragen, z.B. nach Taichi-Schuhen und Seidenschlafanzug, dann leitet sie rechtzeitig die Information an ihren Mann weiter, um den Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden. 1994 ist ihr Geschäft größer geworden und von der Bismarkstraße in die Birkenstraße umgezogen. Mit ihrem freundlichen Lächeln haben die Mutter und ihre drei Töchter viele Kunden gewonnen. Einmal war eine deutsche Dame zufällig in dem Laden, die seit langem Problem mit Darm und Magen hat. Die Tochter hat ihr den chinesischen Ginseng, eine heilwirkende Wurzel, empfohlen. Zwei Wochen später ging es ihr besser. Sie kam in den Laden und dankte für die gute Empfehlung.

Ab und zu haben Frau Zhou und ihre Töchter auch Probleme mit dem Kunden. Einmal hat eine deutsche Dame zwei Puppen gekauft und ihnen einen ungedeckten Scheck über 80 DM gegeben. Dadurch ist später ein Verlust von 110 DM entstanden. Es geschieht auch häufiger, daß ein paar Kunden einfach einige kleine Artikeln wegnehmen, ohne zu bezahlen, vielleicht aus dem großem Interesse an chinesischem Kunstwerk. Einmal haben Betrunkene die Zähne ihres steineren Löwes an der Tür zerschlagen. Dagegen können sie auch nichts tun. Aber mit dem Finanzamt und anderen Ämten sind sie zufrieden. „Deutsche sind sehr sorgfältig und streng. Sie arbeiten ganz genau nach ihrem Gesetz. Alles ist so stabil. Zur Zeit überlegen wir uns gerade, noch ein weiteres Geschäft in Deutschland zu eröffnen“, erzählt Frau Zhou und lächelt.

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