piwik no script img

Die jeweils „andere“ Zivilbevölkerung als Feind

■ Burundis Hutu-Rebellen verstärken von ihren Stützpunkten in Zaire aus den Kampf gegen das für „ethnische Säuberungen“ verantwortliche Tutsi-Militär

Berlin (taz) – Hilfsorganisationen in Burundi bereiten sich auf massive Flüchtlingsbewegungen vor, nachdem Hutu-Rebellen im Norden des Landes eine Reihe mörderischer Angriffe auf Tutsi- Zivilisten verübt haben. Eine Vertreterin einer Hilfsorganisation, die nicht genannt werden wollte, bestätigte gestern Vorbereitungen zur Wasserversorgung von bis zu 100.000 Menschen, deren Flucht aus den Kampfgebieten befürchtet wird. Bei einem Granatenangriff von etwa 100 Hutu-Guerillakämpfern auf das von der Armee bewachte Tutsi-Flüchtlingslager Kaburantwa nahe der Stadt Cibitoke im Nordwesten Burundis waren am Sonntag nach staatlichen Angaben 58 Menschen getötet worden, zumeist Frauen und Kinder. Nun werden Racheakte der Armee gegen die Hutu der Region befürchtet.

In Burundi wird seit Jahren ein blutiger Machtkampf zwischen Hutu und Tutsi ausgetragen. Im Oktober 1993 töteten Tutsi-Soldaten den ersten freigewählten Präsidenten des Landes, den Hutu Melchior Ndadaye. Politische Abkommen zur Machtteilung zwischen der traditionell unterdrückten Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheitselite sind seither immer wieder gescheitert. In den letzten Monaten hat die Armee zusammen mit Tutsi-Milizen große Teile der Hauptstadt Bujumbura von Hutu „gesäubert“, während im Norden des Landes Hutu-Rebellen den Kampf gegen das Militär aufgenommen haben. Die derzeit amtierende gemeinsame Regierung von Tutsi und Hutu ist dagegen machtlos.

Bei den Rebellen handelt es sich um die Kämpfer der in Zaire basierten Hutu-Exilbewegung „Front zur Verteidigung der Demokratie“ (FDD) sowie um die Reste der früheren Hutu-Guerilla „Palipehutu“. Beide sollen inzwischen gemeinsam operieren und setzen die Armee offenbar zunehmend unter Druck. „Die Rebellen sind jetzt besser organisiert und besser bewaffnet“, sagt Daniel Philippin, Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). „Es gibt Gebiete, in denen die Armee keine Kontrolle mehr ausübt.“ FDD-Führer Leonard Nyangoma, der 1993 burundischer Innenminister war und heute in Zaire lebt, hatte kürzlich zugegeben, Waffen von den nach Zaire geflohenen Hutu-Milizen aus Ruanda gekauft zu haben.

Die gesamte letzte Woche, so Philippin, gab es schwere Kämpfe zwischen Armee und Rebellen nördlich der Hauptstadt Bujumbura. Am Freitag habe die Armee 20.000 Menschen aus dem Hutu- Viertel Kamenge in Bujumbura vertrieben, die erst vor wenigen Wochen nach einer vorherigen Armeeaktion zurückgekehrt waren. Am Samstag sei zum ersten Mal ein Militärlastwagen auf eine Mine gefahren und in die Luft geflogen – über Minen verfügten die Rebellen bisher nicht.

Am Sonntag erfolgte dann der Angriff bei Cibitoke, der zu vermuten gibt, daß Burundis Hutu- Guerilla die Tutsi-Bevölkerung insgesamt als Feind ansieht. Dies gilt nach dem von Hutu-Milizen verübten Völkermord an Tutsi in Ruanda als ebenso beunruhigend wie die systematischen Übergriffe der Tutsi-Sicherheitskräfte auf Hutu in Burundi.

Burundis wichtigste Tutsi-Partei Uprona – die den Premierminister des Landes stellt – konnte es sich Ende Juli mit einem derartigen Hinweis leisten, einen Vorschlag der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) zu einer Burundi-Friedenskonferenz in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba abzulehnen. Zwischen der „Logik von Frieden und Einheit“ und der „Logik von Spaltung und Völkermord“ könne es keine Verhandlungen geben, schrieb Uprona-Vorsitzender Charles Mukasi in seinem Absagebrief. Die wichtigste Hutu-Partei Frodebu – die den Staatspräsidenten stellt – wollte demgegenüber an den Gesprächen teilnehmen. Die OAU hatte die Einberufung einer Burundi-Konferenz im Juni angekündigt und im Falle ihres Scheiterns eine Militärintervention angedroht. Dominic Johnson

Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen