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Samstags nur mit Sportschauzulage

■ Arbeitszeitberater Jan Kutscher über die Crux der Wochenendarbeit und die Geschlechter: Männer können mit freien Tagen meistens nichts anfangen

taz: Die SPD will die Sonn- und Feiertagsruhe schützen, die Gewerkschaften das Wochenende für die Familie retten. Ist Wochenendarbeit so schlimm?

Jan Kutscher:Die ganze Diskussion ist ziemlich scheinheilig, sowohl bei Arbeitgebern als auch bei den Gewerkschaften. Es geht nämlich gar nicht um die Freizeit. Es geht vor allem ums Geld, denn bisher ist die Flexibilität teuer: In vielen Betrieben wird ja schon samstags auf Überstundenbasis mit Zuschlägen gearbeitet. Die Beschäftigten wollen dieses zusätzliche Geld in ihrem Portemonnaie nicht missen.

Wenn das Geld stimmt, ist die vielgerühmte „Familienzeit“ also völlig schnuppe?

Wo man versucht hat, mit einem neuen Schichtmodell Überstunden zu ersetzen, ist man gescheitert. Es gibt Firmen, da werden die Leute reihum zu Überstunden eingeteilt, weil jeder am liebsten jeden Samstag kommen möchte. Da werden sogar Rechte zur Überstundenschicht verkauft — für zehn Prozent Anteil. Ich kenne auch einige Betriebe in Deutschland, wo die Mitarbeiter am Samstag das Geld bar auf die Hand bekommen, damit sie es nicht zu Hause in die Haushaltskasse abführen müssen.

Aber es heißt doch, der freie Samstag sei den Männern heilig. Da ist die Familie, und da ist die „Sportschau“.

Das stimmt nur teilweise. Der Samstag ist in Deutschland traditionell auch ein Hausarbeitstag. Am Samstagvormittag werden die Männer zum Einkaufen eingeteilt. Erst ab 14 Uhr ist der Samstag tabu. Der Samstagnachmittag ist dann wirklich heilig in Deutschland. Ich kenne ein großes Reifenwerk, die hatten ein System mit der Sechstagewoche. Die mußten ab Samstag, 18 Uhr, eine sogenannte Sportschauzulage bezahlen, also ein Schmerzensgeld für die entgangene Fußball-Bundesliga.

Dann ist das freie Wochenende vor allem für die Frauen wichtig?

Bei Frauen ist die Wochenendarbeit in der Tat unbeliebter. Dabei müssen ja gerade die Frauen, beispielsweise im Einzelhandel, schon vielerorts ihre Samstagsschichten ohne Überstundenzuschläge schieben. In der Produktion kann man die Bereitschaft zur Samstagsarbeit geschlechtsspezifisch exakt festmachen: Die Frauen wollen das nicht so gern. Weil sie am Samstag die Hausarbeit machen.

Wie heilig ist der Sonntag?

Sonntags um 18 Uhr ist das Wochenende schon wieder vorbei, zumindest für die Männer. Da kommt „Mona Lisa“ im Fernsehen, das interessiert die nicht. Die gehen dann auch schon mal in den Betrieb.

Sie sagen, die Wochenendarbeit sei eigentlich gar nicht so unbeliebt, wegen der Zuschläge. Was passiert aber, wenn die Zuschläge wegfallen sollen wie jetzt bei VW?

Davon werden die Leute nicht begeistert sein, die Überstundenzuschläge sind immerhin ein Besitzstand.

Wie wertvoll ist die Freizeit, die sie dann zum Ausgleich unter der Woche bekommen?

Freizeit unter der Woche hat immer noch einen anderen Wert als Freizeit am Wochenende. Mit einzelnen freien Tagen können die Männer nicht viel anfangen.

Bei den Frauen ist das anders?

Ja. Bei BMW in München gibt es relativ viele mit Frauen besetzte Arbeitsplätze und ein rollierendes Viertagesystem. Das geht ohne Probleme. Die nutzen die freien Tage unter der Woche sehr gerne, das ist nämlich dann ihr Hausarbeitstag. Manche Männer aber legen sich an solchen freien Tagen ganz komische Hobbys zu, nur um sich den häuslichen Verpflichtungen zu entziehen. Interview: Barbara Dribbusch

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