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Technische Kopfgeburten

■ Ein Foto-Workshop zur „Generation X“ endet in Stilleben

„Da lagen inmitten der platonischen Mais- und Spaghettigebilde auf dem Teppichboden ungefähr dreißig halbverdaute Gelantinekapseln.“ Diese Passage aus Douglas Couplands Kultbuch Generation X hat offenbar die meisten der Jungphotographen angeregt, denen im Rahmen ihrer Ausbildung an der Hamburger Photoakademie die Aufgabe gestellt worden war, dem Lebensgefühl ihrer Altersgenossen mit der Kamera Ausdruck zu verleihen.

An der Beschränkung auf Studiophotographien mag es liegen, daß als Ergebnisse des dreitägigen Workshops bis auf eine Ausnahme nur Stilleben entstanden sind. Coupland-Zitate liefern dabei die Bildobjekte, sinnstiftende Überhöhung geschieht durch den reichen Gebrauch der frischgelernten Kniffe aus der photographischen Tricckiste.

Überblendungen, Lichteffekte und ausgeklügelte Arrangements werden benutzt, um kleine Szenen zu schaffen, die wie Relikte dramatischer Ereignisse wirken. Die symbolträchtige Aufladung der Gegenstände durch ihre Inszenierung führt manchesmal aber auch zu surrealistischen Bildkompositionen.

Die bereits erwähnte Pasta- und Pharmazeutika-Kombination inspiriert so zu einem in ein Kondom gestopften Makkaronibündel, von dessen Spitze die kleinen bunten Muntermacher herunterträufeln.

Eine überindividuelle Gültigkeit, die den hohen Anspruch der Ausstellung eingelöst hätte, erreichen die noch bis Monatsende in der Ottenser Chaos-Galerie ausgestellten Exponate allerdings nur selten. Allzu offensichtlich ist das Bemühen, die erworbenen Kenntnisse zu demonstrieren, technische Könnerschaft zu zeigen.

Ein alter Mantel, mit Bindfäden vertäut und zusätzlich mit einem Seven-up-Button versehen, schafft keinen über bloßes Zitat hinausgehenden Bezug zur „schimmernden Priesterjacke“ Couplands, die der Bildidee zugrundeliegen soll und erscheint lediglich als bloße Kopfgeburt.

Jörg Königsdorf

Chaos-Galerie,Gaußstr.138, Mo-Fr 14-18 Uhr

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