: Schlichtweg effizienter
■ Dezentrale Pflanzenkläranlagen sind billiger und ökologischer als Klärwerke
Die Veröffentlichungen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel machten jüngst deutlich, was in kleineren Gemeinden und Kommunen die Spatzen längst von den Rathausdächern pfiffen: Hinter der durchaus edlen Absicht, übelriechende Produkte menschlicher Existenz zu entsorgen, verbergen sich nicht minder übelriechende Strukturen von Bestechung, Preisabsprachen und Dummenfang. Meist westdeutsche Unternehmen sahen eine einzigartige Möglichkeit, nicht so sehr die ostdeutschen Bundesländer, sondern vor allem sich selbst zu sanieren. Sie schwatzten blind vertrauenden Gemeindevertretern überdimensionierte und teure Kläranlagen auf, gaben Ausschreibungsverfahren durch Schmiergelder der Lächerlichkeit preis und übten auf Anbieter alternativer, in der Regel weniger teurer und die Umwelt weniger belastender Verfahren handfesten Druck aus.
Eine Alternative zu den Bauwerken deutscher Betonvorliebe sind die inzwischen vom Umweltbundesamt positiv begutachteten dezentralen Pflanzenkläranlagen, über die Abwassertechnikfreaks immer noch die Nase rümpfen. Nicht etwa weil diese Anlagen übler riechen, sondern weil sie per Definition in bundesdeutschen Landen nicht prinzipiell als „allgemeine Regel der Technik“ anerkannt sind; ein Prädikat, dem Abwasseranlagen nach dem hier geltenen Wasserhaushaltsgesetz genügen müssen.
Dezentrale Abwasserbehandlung bedeutet unter ökonomischen Gesichtspunkten, Kläranlagen für kleinere Gemeinden, Ortsteile und selbst auch einzelne Häuser so zu installieren, daß die Verlegung eines umfangreichen Kanalsystems von jedem einzelnen Abwasserproduzenten an eine zentrale Anlage eingespart werden kann – mithin etwa drei Viertel der Gesamtkosten. Der ökologische Aspekt besteht darin, daß zentrale Kläranlagen trotz befriedigender Reinigungsleistung immer noch erhebliche Mengen von umweltbelastenden Reststoffen in Seen und Flüsse einleiten. Die Folge ist die Entstehung sogenannter Abwasserfahnen und eine Überbeanspruchung des Selbstreinigungspotentials der Oberflächengewässer. Wird bei dezentralen Anlagen die gleiche Menge Abwasser über den gesamten Gewässerverlauf verteilt, können die Reststoffe besser renaturiert dem territorialen Wasserhaushalt zur Verfügung gestellt werden und aufgrund einer geringeren Abflußgeschwindigkeit sogar das Grundwasser anreichern.
Das Arbeitsprinzip einer Pflanzenkläranlage ist denkbar einfach: In einen bewachsenen Bodenfilter – ein Sumpfpflanzenbeet – wird nach erfolgter mechanischer Vorreinigung Schmutzwasser eingeleitet. Mikroorganismen und die Filterwirkung des Bodenkörpers sorgen für hinreichende Reinigung des Wassers. Die Pflanzen verbessern hierbei die Lebensbedingungen für die Mikroorganismen durch Wurzelausscheidungen und Zufuhr von Sauerstoff über ein für Sumpfpflanzen charakteristisches Luftleitgewebe. Nach erfolgter biologischer Reinigung und der Bodendurchsickerung wird das Abwasser dann in natürliche Gewässer geleitet oder verrieselt.
Es ist neben der für Baufirmen und Planungsbüros geringeren Möglichkeit, sich goldene Nasen zu verdienen, offensichtlich dieses Prinzip der Einfachheit, welches traditionell Ingenieure zu Vorurteilen jeglicher Art bewegt. Dezentrale Pflanzenkläranlagen sind auch keine Prestigeobjekte für aufstrebende Landräte, es gibt nicht so viele lukrative Fördermittel von Bund und Ländern, sie sind nur schlichtweg wirtschaftlich effizient und ökologisch sinnvoll. Man kann nur hoffen, daß die Skandale um unsinnige Superprojekte und die zunehmende monetäre Angst der Bewohner kleiner Gemeinden Anlaß sein werden, neue Konzepte zu entwickeln. Ansätze gibt es bereits in Dresden, in der Prignitz (Brandenburg) sowie im Berliner Bezirk Kreuzberg, wo die erste innerstädtische Pflanzenkläranlage der Stadt bestaunt werden kann. Klaus Labsch
Der Autor ist Mitarbeiter der Projektgruppe „Weiterbildung Umweltwissenschaften“ an der Berliner Humboldt-Universität. Das zweijährige Studium wird berufsbegleitend für Hochschulabsolventen angeboten. Bewerbungsschluß für das nächste Semester: 30. September. Kontakt: Prenzlauer Promenade 149-152, 13189 Berlin, Tel. (030) 4797109
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen