: Ein Supermarkt für Biogemüse
Biopark in Mecklenburg-Vorpommern hat sich zum größten Ökobauernverband der Republik entwickelt / Alete und Edeka sind Großkunden ■ Von Jantje Hannover
Wir werden alles verkaufen“, behauptet Dörte Matthes selbstbewußt. Wahrscheinlich hat die 55jährige Vorstandsvorsitzende von Biopark recht. Während sonst vielerorts Panik vor einer Biogemüseschwemme herrscht, weil sich das Angebot in den letzten Jahren vervielfacht hat, scheint der jüngste ökologische Anbauverband der Bundesrepublik diese Sorgen nicht zu kennen. Das Rezept der Aufsteiger aus dem Osten: Die Masse macht's. Mit großen einheitlichen Partien, die auf Abruf lieferbar sind, haben sie bei Supermärkten und großen Lebensmittelproduzenten den Fuß in der Tür.
Mit einem Forschungsprojekt im Auftrag der Akademie für Landwirtschaft in Berlin hatte alles angefangen. Am Forschungsinstitut in Dummerstorf bei Rostock hat die Privatdozentin Matthes Bewirtschaftungstechniken für die großflächigen Naturschutz- und Trinkwassereinzugsgebiete in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt. In keinem anderen deutschen Bundesland stehen soviele Flächen unter Naturschutz wie hier. Von intensivierungsbegrenzten Standorten spricht man im Fachjargon. Hier wird das Düngen per Gesetz geregelt, das Spritzen ist gleich ganz verboten. Und seit die Subventionen aus Brüssel vielen Mecklenburger Landwirten den Sprung in die Ökolandwirtschaft ermöglicht haben, schreibt der Gesetzgeber sogar vor, wieviele Kühe auf einem extensiv genutzten Hektar grasen dürfen.
„Wenn ich eine Aufgabe kriege, muß ich sie auch zu Ende bringen“, sagt die rührige Privatdozentin, deren ehrenamtliche Tätigkeit für Biopark inzwischen ihre gesamte Freizeit in Anspruch nimmt. Für sie war das schlichtweg „Angewandte Forschung“, als sie 1991 mit 31 Betrieben den Anbauverband Biopark gründete. Die Gründungsmitglieder waren alle Rindermast- und -zuchtbetriebe. Die Entscheidung für die ökologische Wirtschaftsweise war reines marktwirtschaftliches Kalkül. Matthes: „Wenn wir mit den gesetzlich zulässigen 50 Kilo Stickstoffdünger pro Hektar arbeiten würden, ließe sich für unser Fleisch kaum werben.“
Für Biopark bleibt die Viehzucht auch weiterhin der wichtigste Produktionszweig. Auf den ausgedehnten Mecklenburger Grünlandstandorten ist das oftmals die einzige Möglichhkeit für die Landwirtschaft. Inzwischen werden im bevölkerungsärmsten der neuen Bundesländer bereits acht Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet, das ist einsame Spitze im gesamten Bundesgebiet. Kein Wunder, daß sich Biopark innerhalb von drei Jahren zumindest flächenmäßig zum größten Ökoanbauverband der Bundesrepublik gemausert hat – 380 Betriebe beackern insgesamt 80.500 Hektar (im Vergleich dazu: Demeter verfügt mit 1.123 Betrieben über 34.745 Hektar).
Inzwischen gliedert sich Biopark in die Markt GmbH samt Aufsichtsrat, die Kontrolle und den Vorstand. Letzterer wird vollständig von ehrenamtlichen Kräften bestritten, neben Frau Matthes sind das die gewählten Vertreter aus den landwirtschaftlichen Betrieben. Mit einem engagierten Team von nur zehn festen Angestellten will Biopark das Kunststück bewerkstelligen, Bioware zu einem erträglichen Preis auf den Markt zu bringen, einen breiten Kundenkreis anzusprechen und gleichzeitig die Bauern auf ihre Kosten kommen zu lassen. Überstunden sind da an der Tagesordnung.
Für den 29jährigen Geschäftsführer Thorsten Hein ist Biopark „wie eine richtige Familie“. Das reicht von gemeinsamen Grillpartys bis zu unbürokratischer finanzieller Unterstützung, wenn ein Mitarbeiter mal in eine Notlage gerät. Die Neulinge in der Marktwirtschaft haben sich ein Quentchen vom sozialistischen Kollektivgedanken in die profitorientierte Zeit hinübergerettet.
Die Früchte der harten Arbeit können sich sehen lassen. Der Alete-Konzern bezieht rosa Kalbfleisch für seine Babygläschen, seit einem halben Jahr bestückt die Edeka-Nord unter der Handelsmarke „Gutsfleisch“ einige Filialen ausschließlich mit dem qualitativ hochwertigen Fleisch von Biopark. Im neuen Jahr will auch Spar eine Testreihe mit Biofleisch starten. Erstmals soll hier auch mit dem Namen Biopark geworben werden.
Auch in punkto Weiterverarbeitung, oftmals ein kritischer Punkt bei der Vermarktung von Ökoartikeln, hat der junge Anbauverband einen guten Stand. 50 Prozent des produzierten Getreides können in einem hochmodernen Lager bei Karstätt zusammengefaßt werden. Die Eldemühle Parchim vermahlt das Biogetreide gleich nach der Reinigung vor den Körnern der konventionellen Konkurrenz.
Die Mecklenburger Landbäckerei backt inzwischen 300 Biobrote täglich – separat und von Hand. Damit werden 50 Läden in Westmecklenburg und in Brandenburg beliefert. Bei allen Erfolgsmeldungen wird von den Bioparklern allerdings gerne unter den Tisch gekehrt, daß auch sie bisher einen Großteil der Rindernachzucht an konventionelle Mastbetriebe verkaufen mußten.
Geschäfte mit Supermarktketten und etablierten Nahrungsmittelkonzernen brechen mit einem Tabu der westdeutschen Ökoszene. Dort war jahrelang alles verpönt, was nach kapitalistischem Handel roch. Kein gangbarer Weg für die Mecklenburger. „Bei uns haben 30 bis 40 Prozent der Einwohner ganz wenig Geld“, betont Matthes. Damit beim Anbau und der Weiterverarbeitung nicht geschummelt wird, gibt es die verbandseigene Kontrollstelle. Mit unangemeldeten Betriebsbesichtigungen und regelmäßigen Einblick in die Buchhaltung will die Kontrollstelle von Biopark die Sünder unter den Ökobauern herausfiltern. Hinter einmaligen Ausgaben in der Bilanz, zum Beispiel für Arbeitskraft, können sich auch ein paar Säcke Kunstdünger verstecken. „Unsere Leute haben das im Blick“, sagt Kontrolleur Freitag, der schon einige Mitglieder rausschmeißen mußte.
Ein wichtiges Thema für die Ökowirtschaft sind geschlossene Kreisläufe. Idealerweise läßt sich das in einem Mischbetrieb verwirklichen, der Viehhaltung und Ackerbau vereint, wo also der Dung auf den Acker ausgebracht wird, auf denen wiederum die Feldfrüchte und auch das Winterfutter für die Tiere wächst. Aber wegen der sozialistischen Vergangenheit sind die Bioparkbetriebe oft gigantisch groß und einseitig ausgerichtet. Jedoch auch hier lassen sich die Kreisläufe schließen, ohne daß ein chemischer Zusatz nötig wird. Die Viehzüchter düngen mit dem Mist das Winterfutter, die Marktfruchtbetriebe erhalten die Fruchtbarkeit ihrer Felder mit stickstoffhaltigen Zwischensaaten.
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