„Ich würde die Strafe gern absitzen“

■ Arbeitsloser Koch vor Gericht

Mit sichtlicher Freude, ja mit breitem Grinsen nimmt Jaruslaw R. seine Verurteilung zu 50 Tagen gemeinnütziger Arbeit in der „Hoppenbank“ (einer Einrichtung für ehemalige Strafgefangene) zur Kenntnis. „Heimtücke“ oder „zumindest Hinterlist“ vermutet Staatsanwalt Nullmeyer hinter dieser offenen, für frisch Verurteilte doch etwas seltenen Freude. Aber er irrt: Der 51jährige Tscheche auf der Anklagebank hatte bereits einige Male betont, da er gerne zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden möchte. Denn dieses Glück hatte er bereits vor sieben Jahren. Im Anschluß' an den damaligen 20-Tages-Arbeitseinsatz bekam er dann bei der „Hoppenbank“ für ein Jahr eine BSHG-19-Stelle in seinem erlernten Beruf als Koch.

Auf anderem Wege hat er hier keine Chance auf einen Arbeitsplatz, da er als Tscheche zwar eine Aufenthalts- aber keine Arbeitserlaubnis hat. „Ich bin Hausmann für meine Frau“, gibt er als Berufsbezeichnung an. „Sie ist schon richtig kugelrund, seit ich für sie koche“, bemerkt er nicht ohne Stolz. Wofür Jaroslaw R. angeklagt ist und bestraft wird, scheint ihm selbst offenbar nicht ganz klar. Irgendwie geht es um Zigaretten der tschechischen Marken „Petra“, „Sparta“, „Montecarlo“ und „Magna“. Der geladene Zeuge von der Steuerfahndung schwenkt zwei Plastiktütchen mit den vier Schachteln.

Die Ehefrau eines leitenden Angestellten des Tabakgroßhändlers Brinkmann AG hatte sich diese Schachteln über eine Zeitungsanzeige bestellt, um sie als Beweisstücke an den Zoll weiterzuleiten. Die Firma Brinkmann erstattete dann Anzeige wegen Verstoßes gegen die Abgabenordnung. Die stattliche Summe von 140 DM Einfuhrsteuern soll der Angeklagte hinterzogen haben. Er habe schon 127,99 DM bezahlt, behauptet dieser und kann das auch beweisen. Außerdem habe er alle anderen Zigaretten in die Tschechische Republik zurückgebracht, weil sie kaputt waren – Privatbriefe scheint die Post weniger sorgsam zu behandeln, das Päckchen kam gedrückt und geknautscht an. Der Herr von der Steuerfahndung bestätigt vor Gericht, daß der Angeklagte seine Steuerschuld bis auf 12,01 DM beglichen habe. Die Differenz ergebe sich aus den sichergestellten vier Schachteln, die der Fahnder vor sich liegen hat und unablässig tätschelt.

Unklar bleibt, ob nun Jaroslaw R. die Zigarettenverkaufsanzeigen aufgegeben hat. Ebenfalls ungeklärt bleib, ob er seine tschechischen Verwandten angestiftet hat, kleine Mengen Zigaretten quasi „privat“ an deutsche KäuferInnen zu schicken wie an die Ehefrau des leitenden „Brinkmann“-Angestellten“. Der Angeklagte besteht darauf, daß weder sein Vater noch sein tschechischer Sohn – beide heißen genau wie er – noch sein deutscher Stiefsohn und seine deutsche Ehefrau Sophie mit der ganzen Angelegenheit etwas zu tun hätten. Er ist vielmehr der Meinung, sein niederländischer Stiefsohn Peter M. hätte die Anzeige aufgegeben. Schließlich führe dieser die Firma, die noch auf des Angeklagten niederländischen Ex-Namen läuft.

Richter Rogoll wirkt von der Internationalität leicht verwirrt, aber er bleibt geduldig und beharrt auf dem vor zwei Jahren von dem Angeklagten bei der Polizei abgelegten Geständnis. Staatsanwalt Nullmeyer zeigt leichte Anzeichen geistiger Abwesenheit, der Zeuge grinst ständig vor sich hin. Der Angeklagte beteuert seine Unschuld, bittet gleichzeitig um Verurteilung: „Ich habe nichts zu tun, ich würde gerne die Strafe absitzen.“ Man einigt sich auf 50 Tage gemeinnütziger Arbeit und alle sind zufrieden. Nur Herr Nullmeyer weiß nicht, warum. Jaroslaw R. fragt sich auf dem Gerichtsflur, ob er das nächste Mal jemanden zusammenschlagen muß, um an gemeinnützige Arbeit zu kommen. ali