■ Mit Berlinsubventionen auf du und du
: Zitterprämien ade

Berlin (taz) – 1995 ist das erste Jahr, in dem Westberliner ganz ohne die liebgewonnene Berlinförderung aus der Zeit des Kalten Krieges auskommen müssen. Der im Volksmund „Zitterprämie“ genannte Zuschuß, den alle Arbeitnehmer einstmals Monat für Monat aus dem Bundeshaushalt erhielten, betrug acht Prozent des Bruttolohnes. Wer 3.000 Mark verdiente, bekam 240 dazu – steuer- und abgabenfrei. Jedes Kind brachte 49,50 Mark zusätzlich ein. Der Wegfall der Berlinzulage sowie die seit dem Mauerfall rapide steigenden Mieten und Preise bescheren dem durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt 1995 einen Kaufkraftverlust von sieben Prozent.

Auch die Industrieunternehmen konnten auf großzügige Unterstützung bauen. Wenn in Berlin ansässige Firmen ihre Waren und Dienstleistungen ins übrige Bundesgebiet lieferten, konnten sie bis zu zehn Prozent des damit erzielten Umsatzes von ihrer Umsatzsteuer absetzen. Auch die westdeutschen Abnehmer kamen in den Genuß der Steuerpräferenz. Bei Investitionen bekamen die Unternehmen bis zu 15 Prozent der Kosten vom Bund geschenkt. Die Gewerbesteuer war in Berlin nur halb so hoch wie in anderen Großstädten, und zinsgünstige Kredite zuhauf versüßten die Wirtschaftstätigkeit – was auch die taz-Gründerinnen und -Gründer nach Berlin zog.

Runde fünf Milliarden Mark flossen 1990, als die Berlinförderung noch in voller Blüte stand, aus dem Bonner Topf in die Adern Westberlins. Hinzu kam die sogenannte Bundeshilfe von 13 Milliarden, die die Hälfte des Landeshaushaltes finanzierte – damit gelang es, die Verwaltung trefflich aufzublähen. Zu Beginn der 90er Jahre arbeiteten fast doppelt so viele öffentlich Bedienstete an der Spree wie in anderen Ballungsräumen Westdeutschlands.

Mittlerweile ist der Osten Berlins Subventionsbrennpunkt. Aus dem Topf der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ von Bund und Ländern sowie zusätzlichen Mitteln der Europäischen Union erhalten Ostfirmen von 1994 bis 1998 rund 2,55 Milliarden Mark als Investitionszuschüsse. An Unternehmen in den Westbezirken sollen 442 Millionen ausgeschüttet werden. Der Berliner Senat möchte diese Zuwendungen auf Ostniveau anheben, um der gebeutelten Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Die Genehmigung der EU-Kommission steht aber noch aus. Hannes Koch