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Spaniens Staatsspitze stolpert spektakulär

■ Oberstes Gericht will gegen den spanischen Regierungschef González wegen Gründung der Todesschwadron GAL ermitteln / Rücktritt im September?

Madrid (taz) — Spaniens Ministerpräsident Felipe González muß womöglich vor Gericht, nachdem sich der Oberste Gerichtshof am Donnerstag abend im Falle der antibaskischen Terrorgruppe GAL für zuständig erklärt hat. Nun prüfen die Richter der Zweiten Kammer, ob González zusammen mit Exinnenminister José Barrionuevo und Exverteidigungsminister Narcis Serra und dem ehemaligen Generalsekretär der regierenden Sozialistenpartei PSOE, Txiki Benegas, wegen Gründung der sogenannten Antiterroristischen Befreiungsgruppe GAL der Prozeß gemacht werden kann.

Ermittlungsrichter Baltasar Garzón hatte Anfang des Monats den Antrag gestellt, den Fall abzugeben, da nur der Oberste Gerichtshof gegen die vier Politiker ermitteln kann. Der Beschluß ist ein entscheidender Schritt bei der Suche nach den Verantwortlichen für den schmutzigen Krieg der GAL, dem zwischen 1983 und 1987 28 Menschen aus dem Umfeld der baskischen ETA in Südfrankreich zum Opfer fielen. Es war Garzón, der mit seinen hartnäckigen Ermittlungen Ende der 80er Jahre herausfand, daß die GAL von spanischen Polizisten kontrolliert wurde, und der jetzt herausgefunden hat, daß die ganze Mordserie der GAL von der spanischen Staatsspitze gedeckt und womöglich sogar initiiert wurde.

In den nächsten Tagen wird Garzón die gesamten Ermittlungsakten an das Oberste Gericht übergeben. Staatsanwaltschaft und die Verteidiger der GAL-Opfer werden innerhalb zehn Tage ihre Dossiers nachreichen. Der Teil des Ermittlungsverfahrens, der den Militärischen Abschirmdienst (CESID) betrifft, wird geheim bleiben: CESID-Agenten sollen im Besitz eines Dokumentes sein, in dem die Richtlinien des schmutzigen Krieges festgelegt wurden, aber Richter Garzón hat dieses Dokument bisher nicht gefunden. Anfang September wird die Kammer einen neuen Ermittlungsrichter ernennen. Sollte er einen Prozeß einleiten wollen, muß das Parlament die Immunität der Politiker aufheben. Dazu ist ein Antrag eines Viertels der Abgeordneten nötig, der mit absoluter Mehrheit verabschiedet werden muß. So könnte González in wenigen Wochen zum Rücktritt gezwungen sein.

Der Countdown für den seit 1982 regierenden Sozialisten González begann im Dezember 1994, als die Ex-Polizisten José Amedo und Michel Dominguez ihr Schweigen brachen. Bis dahin hatten die einzigen beiden, die bis dahin im Zusammenhang mit den Aktivitäten der GAL verurteilt worden waren, immer die Verantwortung auf sich genommen. Als der erwartete Gnadenerlaß nach sieben Jahren Haft noch immer auf sich warten ließ, packten sie aus. „Für jeden einzelnen Schritt hatten wir Anweisungen unserer Vorgesetzten. Alle Welt weiß, daß man in der Polizei nicht auf eigene Faust handeln kann“, erinnerten sie sich. Richter Baltasar Garzón, der 1988 die Verurteilung der beiden zu jeweils 108 Jahren Haft erreicht hatte, nahm seine Ermittlungen erneut auf.

Die GAL war keine Gruppe, sondern eine Strategie

Auf der Liste der bisher im GAL- Zusammenhang Angeklagten steht alles, was in der spanischen Politik Rang und Namen hat. Den Auftakt machte fünf Tage vor Weihnachten 1994 die Verhaftung von Julian Sancristóbal, Zivilgouverneur der baskischen Provinz Bizkaia und späteren Staatsschutzchef; Francisco Alvarez, Polizeichef von Bilbao; und Miguel Planchuelo, Ex-Chef der geheimdienstlichen Abteilung. Rafael Vera, Antiterrorspezialist und Nummer zwei des spanischen Innenministeriums, folgte kurz darauf ebenso wie Ricardo Garcia Damborenea, ehemaliger Sozialistenchef in Bizkaia. Nach mehr als einem halben Jahr U-Haft fingen alle an, auszusagen — bis auf Vera.

Die entscheidenden Beschuldigungen kamen von Damborenea: Ihm zufolge war die GAL gar keine selbständige Gruppe, sondern einfach der Deckname für eine Strategie zur Terrorismusbekämpfung, mit der man Frankreich zur Ausweisung seiner ETA- Flüchtlinge bewegen wollte. Die Idee dazu habe aus den Führungskreisen der PSOE im Baskenland gestammt. Die GAL-Kommandos seien aus den Reihen der Nationalpolizei, der Guardia Civil, des CESID und ehemaligen Söldnern der französischen Fremdenlegion zusammengestellt worden. Felipe González sei über jeden Schritt informiert gewesen. Nun wartet Spanien gespannt auf die von Damborenea angekündigten Beweise. Reiner Wandler

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