■ Goldregen für den Finanzminister? Endlich hat das Bundesverfassungsgericht die skandalös niedrige Besteuerung von Grundstücken für verfassungswidrig erklärt. Was wird sich ändern? Kommen Steuererhöhungen?: Waigel will euer Geld nicht
Goldregen für den Finanzminister? Endlich hat das Bundesverfassungsgericht die skandalös niedrige Besteuerung
von Grundstücken für verfassungswidrig erklärt. Was wird sich ändern? Kommen Steuererhöhungen?
Waigel will euer Geld nicht
Aufgepaßt! Wer etwas mit Grundstücken, Häusern und Wohnungen zu tun hat, könnte sich demnächst ganz schön umgucken. Eigentümer und Erben, aber auch Mieter, auf die steuerliche Zusatzkosten in der Regel meist umgelegt werden, müssen eventuell mit erheblichen Mehrbelastungen rechnen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls – wie lange erwartet – festgestellt, daß die Bevorzugung von Grundbesitzern und Hauseigentümern im Steuerrecht nicht in Ordnung geht. Als Wert von Boden und Immobilien waren nämlich immer noch hoffnungslos veraltete „Einheitswerte“ zugrunde gelegt worden (siehe Kasten). Folgender Fall hatte den Anstoß gegeben: Ebenso wohlmeinende wie wohlhabende Eltern schenkten ihrem Kinde eine Million Mark, mit der Auflage, er möge sich damit ein Grundstück kaufen. Das Finanzamt bekam davon Wind und verlangte 91.000 Mark Schenkungssteuer. Hätten die Eltern das Grundstück selbst gekauft und dann dem Kind geschenkt, wären es nur 858 Mark gewesen. Mit dieser Ungleichbehandlung soll jetzt Schluß sein; die Besteuerung von Grundstücken muß sich künftig stärker am Marktwert orientieren. Wie das gehen soll, vor allem wie weit die Einheitswerte ansteigen sollen, ließen die Karlsruher Richter allerdings offen. Sie stellten aber klar, daß der Gesetzgeber nicht unbedingt den realen Marktwert zugrunde legen muß.
Folgen ergeben sich aus diesem Richterspruch für mehrere Steuern. Das größte Interesse in der Öffentlichkeit fand die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Der Freibetrag von 90.000 Mark für nahe Angehörige wird natürlich schnell überschritten, wenn wirklichkeitsnähere Grundstückswerte zugrunde gelegt werden. Dasselbe gilt für die Vermögenssteuer, die sich pro Jahr auf rund ein Prozent des Grundstückswerts bezieht. Bei der Grundsteuer, die von den Kommunen erhoben wird, gibt es zwar keine Freibeträge, doch war das Aufkommen natürlich infolge der niedrigen Wertansätze nicht gerade sehr hoch.
Aber keine Panik! „Kleine Vermögen“ sollen im Erbfall auch weiterhin steuerfrei bleiben. Die Freibeträge müßten also so erhöht werden, daß auch die anzuhebenden steuerlichen Grundstückswerte noch erfaßt werden. In den Genuß der Anhebung dieser Freibeträge kommen dann freilich auch die Erben von Geldvermögen. Über die Frage, was ein „kleines Vermögen“ nun eigentlich ist, wird es aber sicher noch viel politischen Streit geben.
Anhaltspunkte hierfür könnten die Äußerungen des Verfassungsgerichts zur Vermögenssteuer geben. Dort heißt es etwa, daß ein „übliches Einfamilienhaus“, der zugehörige Hausrat und ein der Altersversorgung dienendes Vermögen nicht der Vermögenssteuer unterliegen dürften. Vermieten kann man das „übliche Einfamilienhaus“ allerdings nicht, denn das BVerfG spricht nur von „Gebrauchsvermögen“.
Zur Grundsteuer, der dritten Steuerart, die sich auf die Einheitswerte bezieht, hat sich das Bundesverfassungsgericht zwar nicht geäußert. Aber Sigmund Wimmer vom Deutschen Städte- und Gemeindebund hat bereits angekündigt, daß hier nicht mit Steuererhöhungen gerechnet werden muß. Denn die Kommunen können einer Erhöhung der Einheitswerte durch Senkung der vor Ort festzulegenden Hebesätze begegnen. Wimmer beruhigt damit Bedenken des Deutschen Mieterbundes, der sofort befürchtet hatte, daß diese „Verbesserung der Steuergerechtigkeit nun zu Mehrbelastungen der Mieter führen“ könnte.
Weit aus dem Fenster gelehnt hatte sich schon vor dem Richterspruch Finanzminister Waigel. Er versprach, daß die Bundesregierung das Urteil nicht zu Mehreinnahmen nutzen wolle. Mehrbelastungen sollten in allen Steuerarten vermieden werden. Von einer Beschränkung auf sozial schwächere Haus- und Grundbesitzer war dabei allerdings nicht die Rede. „Finanzminister Waigel ist im Wort“, betonte denn auch Friedrich-Adolf Jahn vom Zentralverband der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. Er forderte, „alles zu vermeiden, was Anreize zur Vermögensbildung und Vererbung von Vermögen beeinträchtigen“ könnte.
Auch er findet im Verfassungsgerichtsurteil einige Passagen, die sein Herz erfreuen dürften. Denn die Karlsruher RichterInnen haben sich ausdrücklich auch des Schutzes der Besserverdienenden angenommen. So betonen sie, daß im Erbrecht auch bei größeren Vermögen keine „grundlegende Beeinträchtigung“ möglich ist. Für die Vermögenssteuer wird gar detailliert vorgerechnet, daß dem Steuerpflichtigen von den möglichen Erträgen aus seinem Vermögen, nach Abzug seiner Aufwendungen und anderer Steuern, noch mindestens die Hälfte zum persönlichen Gebrauch übrig bleiben müsse. Derartige Aussagen wären allerdings zur Entscheidung der vorliegenden Fälle gar nicht nötig gewesen, bemerkte Richter Böckenförde in einem Sondervotum kritisch.
Damit würden nämlich, so Böckenförde, die Möglichkeiten des Gesetzgebers zum sozialen Ausgleich „ungerechtfertigt“ beschränkt. Christian Rath
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