: Rechte Parolen, Gewalt und Ausstiegsangebote
■ Rechte Aufmärsche am Wochenende / Verfassungsschützer sucht Kronzeugen
Zoff am Ende der von Neofaschisten initiierten „Nationalen Aktionswoche“ zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Am Freitag abend marschierten rund 60 Anhänger der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) durch Barmbek. Als die Marschierer Parolen wie „Blut und Ehre für Rudolf Heß“ und „Rache für Heß“ skandierten, schritt die Polizei ein und nahm 15 Männer vorübergehend in Gewahrsam.
Nach Angaben der Polizei wurde der Aufmarsch von Andre Goertz, dem ehemaligen Hamburger Vorsitzenden der verbotenen Freiheitlichen Arbeiter-Partei (FAP) organisiert. Bereits am Donnerstag hatten sich zwölf Rechtsextremisten vor dem Britischen Konsulat zu einer „Mahnwache“ für den „Märtyrer“ Heß versammelt. Die Polizei löste die Veranstaltung auf.
Auch in Schneverdingen (Bezirk Lüneburg) verhinderten Polizeikräfte am Samstag eine Kundgebung von 150 aufmarschierten Rechtsextremisten. Gegen fünf der angereisten Neonazis leitete die Polizei Strafverfahren wegen der Verbreitung verfassungsfeindlicher Schriften bzw. wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. In der Nacht zum Samstag waren in Schneverdingen drei Passanten mit Baseballschlägern angegriffen und zum Teil schwer verletzt worden. Gegen drei Tatverdächtige, die vermutlich aus der rechten Szene stammen, wurde Strafanzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung gestellt.
Als Reaktion auf das Verbot und die Auflösung der braunen Gedenkaufmärsche kündigte der Hamburger JN-Landesvorsitzende Jan Zobel an, „Widerstand“ zu leisten und „neue Wege zu gehen“. Das damit kaum Friedensmärsche gemeint sind, befürchtet Hamburgs oberster Verfassungsschützer Ernst Uhrlau: „Es gibt deutliche Anzeichen für die Bildung rechtsterroristischer Gruppen.“
Hintergrund der Äußerung Uhrlaus, der schon seit langem vor einer „braunen RAF“ warnt: In der vergangenen Woche hatte der (ehemalige) JN-Aktivist die Polizei zu verschiedenen mit Sprengstoff, Handgranaten und Munition angefüllten geheimen Waffenlagern ultrarechter Gruppen geführt.
Um die rechtsextreme Gefahr zu bannen, fordert Uhrlau laut „Spiegel“ eine „Kronzeugenregelung“ für plauderwillige Aussteiger aus der Neonazi-Szene. Um „Fenster zu öffnen und Leute zum Ausstieg zu bewegen“, sollten Ex-Nazis, die sich vertrauensvoll an den Verfassungsschutz wenden, für verübte Straftaten nicht oder nur geringfügig juristisch zur Rechenschaft gezogen werden. Marco Carini
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