: Wer finanzierte den Protest?
■ Bremerhavens Stäwog unter Filz-Verdacht – Staatsanwaltschaft stellt Verfahren ein
Christian Bruns, Geschäftsführer der Städtischen Wohnungsgesellschaft (Stäwog) in Bremerhaven, fängt am Telefon schallend an zu lachen. „Tut mir leid“, entschuldigt er sich und schnappt nach Luft. „Das ist alles dummes Zeug.“ Eigentlich hätte Bruns im Moment nichts zu lachen: Die Staatsanwaltschaft hat gegen ihn und die Mitarbeiter der Stäwog ermittelt.
Sie sollen die Protestaktionen gegen den Verkauf der Wohnungsgesellschaft inszeniert und mit einem Griff in die Stäwog-Kasse finanziert haben. Die roten Nelken, das Wahrzeichen der Stäwog-Sympathisanten, gingen angeblich genauso auf die Rechnung der Städtischen Wohnungsgesellschaft wie Anzeigen und Plakate. „Keinen Pfennig haben wir dafür ausgegeben“, versichert Bruns. „Hier kann jeder kommen und in die Bücher gucken. Er wird nicht eine Rechnung finden. Das ist kompletter Blödsinn.“
Davon ist mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft überzeugt. „Die Sache wird ohne Verfahren eingestellt“, bestätigt Ingrid de Boer von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft in Bremen. Das Schreiben an den Stäwog-Mieter, der die Anzeige erstattet hat, liegt bereits auf ihrem Schreibtisch. Auch die Mieterinitiative hat zwischenzeitlich bestätigt, daß sie keinen Pfennig von der Stäwog bekommen hat. Sie war sogar „enttäuscht“, daß sie von der Wohungsgesellschaft nicht unterstützt worden ist.
„Daß sich bei 6.000 Mietern mal einer ärgert, ist normal“, findet Bruns. „Ich fürchte nur, hierbei geht es um etwas anderes. Als ehemaliger Fraktionsvorsitzender der SPD habe ich manchen Kampf mit der CDU ausgefochten. Vielleicht liegt da der Hase im Pfeffer.“
Tatsächlich war der Tip über den vermeintlichen Skandal bei der Stäwog von der CDU gekommen. „Das ist ein dolles Ding“, pries Dieter Ansorge (CDU) die Geschichte am Sonntag abend kurz vor Redaktionsschluß an. Sein Parteikollege Kurt Albrecht faxte wenig später seine Anfrage für die kommende Stadtverordnetenversammlung. Auf der „Unterhaltungsschiene“ abends beim Bier habe er „von dieser Sache erfahren“. „Jetzt will ich einfach wissen, was dahinter steckt. Wir wollen die Stäwog ja aus der Schußlinie bringen.“ Dazu hat die CDU-Fraktion auch allen Grund. Im Januar hatte sie gemeinsam mit dem rechten SPD-Flügel um Richard Skribelka dem Verkauf der Stäwog zugestimmt. Daraufhin wurde ein Notar eingeschaltet, Wirtschaftsprüfer zückten ihre Taschenrechner und Verkaufsverhandlungen wurden geführt. Geschätzte Kosten: Mehrere hunderttausend Mark, die nach dem Beschluß des Magistrats, die Stäwog nun doch nicht zu verkaufen, zum Fenster hinausgeworfen worden sind. Heißt „aus der Schußlinie nehmen“ nicht, daß die CDU mit ihrer Stäwog-Anfrage im Wahlkampf davon ablenken will? „Also, äh, ich kann verstehen, daß man denken könnte, das sollte anders hochgekocht werden“, räumt Albrecht ein. „Aber das ist wirklich nicht so.“
Wie es wirklich ist, müßte eigentlich der Mieter wissen, der die Anzeige erstattet hat. „Ja, aber woher wissen Sie denn, daß ich dahinter stecke“, fragt der Mann entgeistert. „Sagen Sie mir erst, woher Sie das wissen. Dann rede ich weiter. Sie geben mir Informationen. Ich gebe Ihnen Informationen. Außerdem muß ich das erstmal rückchecken. Ich rufe Sie wieder an“, sagt er und legt auf. Eine Stunde später ruft er zurück. „Ich will das nicht als Anzeige verstanden wissen. Ich habe an die Staatsanwaltschaft geschrieben. Mit der Bitte um Überprüfung. Ich halte es nämlich für möglich, daß die Mieter da vor den falschen Karren gespannt worden sind und daß die Belegschaft nur ihre Arbeitsplätze retten wollte. Es wäre vielleicht gar nicht schlecht gewesen, die Stäwog zu verkaufen. Die Mieter hätten dann die Chance gehabt, billig an Eigentum zu kommen.“
Zu den Mietern der Stäwog gehört auch der CDU-Stadtverordnete Jan-Niklas Schenck. Er wohnt im gleichen Haus wie der empörte Mieter, der die Anzeige erstattet hat. Ob er ihn kennt? „Äh, wieso, äh, ja, Herr ... ist mein Nachbar.“ „Wußten Sie, daß er die Stäwog-Mitarbeiter angezeigt hat?“ „Äh, also, ja, äh, nun, wir haben mal beziehungsweise auch darüber gesprochen. Über die Stäwog. In der Tendenz, ja, also, äh, waren wir uns einig. Äh, daß, wissen Sie, hier haben ja die Stäwog-Hausmeister während ihrer Arbeitszeit Unterschriften gesammelt. Wir haben uns gefragt, also wie das, nun ja, finanziert wird. Aber, äh, äh, ob, nun ja, Herr ... eine Anzeige erstattet hat, davon weiß ich nichts.“ kes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen