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Schlappe für Jelzin

■ Wahlblock „Unser Haus Rußland“ verliert Testwahl in Jekaterinburg

Moskau (taz) – Vier Monate vor den Parlamentswahlen hat der Wahlblock „Unser Haus Rußland“ (UHR) eine Niederlage hinnehmen müssen. Bei den Gouverneurswahlen in Jekaterinburg erhielt der Kandidat der von Premierminister Tschernomyrdin angeführten Partei nur 30 Prozent der Stimmen. Sein Gegenspieler, der Rußlanddeutsche Eduard Rössel, kam dagegen auf 60 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag – wie bei Provinzwahlen kaum anders zu erwarten – bei 33 Prozent.

Rössel ist kein neues Gesicht in Jekaterinburg. Bis 1993 amtierte er als Gouverneur der im Ural gelegenen Region. Präsident Jelzin entfernte ihn von seinem Posten, da Rössel im Verbund mit umliegenden Regionen eine Verwaltungseinheit anstrebte, die das Gebiet verfassungsrechtlich zu einer autonomen Republik aufwerten sollte. Letztlich ging es dabei um einen direkten Zugriff auf die Bodenschätze der reichen Region.

Strachow, der von Jelzin zum Nachfolger Rössels ernannt wurde, konnte seinen Amtsbonus nicht nutzen. Selbst die 175.000 US-Dollar, die lokale Banken und Fabriken in seinen Wahlkampf pumpten, stimmten die Wähler nicht gnädiger. Für Jelzin ist die Niederlage besonders schmerzlich: Jekaterinburg, wo er jahrelang als Parteisekretär waltete, zählte bislang zu seinen Hochburgen. Außerdem hatte der Präsident die Wahlen ausnahmsweise zugelassen: Nach dem Putschversuch im Oktober 1993 wurden die Gouverneure nicht mehr gewählt, sondern vom Präsidenten ernannt.

Die „Partei der Macht“, so die UHR im Volksmund, hatte sich den Regierungserhalt einfacher vorgestellt. Ihren Vorteil glaubte sie gerade darin zu haben, daß sich dem Block die leitenden Figuren aus den Provinzen angeschlossen hatten. Bei Wahlen zu den lokalen Parlamenten, herrschte bisher eine Tendenz vor, die bereits bekannte Lokalgrößen favorisierte – ungeachtet ihrer politischen Zugehörigkeit. Auch jetzt mag dieser Trend zutreffen, Rössel ist einfach populärer als sein Nachfolger.

Rössels Wahlkampf focussierte denn auch die Ressentiments der Provinz gegenüber dem Zentrum: „Wenn Strachow gewählt wird, kaufen Moskauer Banken eure Fabriken“, wollte er die Wähler glauben machen und schaffte es.

In der Zentrale der „UHR“ beginnt nach dieser Testwahl nun ein Umdenken: „Unser Haus sollte eine landesweite Kampagne starten und nicht auf den Einfluß in den Regionen hoffen“, meinte ein regierungsnaher Beobachter. Die enge Verknüpfung zwischen Jekaterinburg und Rössel ist freilich ein Spezialfall. Daraus eine Wahlniederlage der „Partei der Macht“ ableiten zu wollen, wäre verfrüht.

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