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■ Tribüne im SchlachthofMesseplatz Bremen?

Nach Kongreßzentrum, Klangbogen und Bahnhofs-Nordausgang soll nun mit mindestens 150 Millionen Mark die Hallenkapazität Bremen von 8.000 auf 20.000 Quadratmeter vergrößert werden, die Eislaufhalle auf der Bürgerweide soll dafür abgerissen werden. So ist es das Konzept des Wirtschaftsressorts, Planungs-Gelder in Millionenhöhe sind bewilligt, entschieden hat der Bremer Senat aber noch nicht.

Über dieses Projekt stritt gestern im Schlachthof der Geschäftsführer der Bremen-Messe-GmhH, Georg Sewig, mit dem messekritischen Spezialisten der Süddeutschen Zeitung, Hans-Herbert Holzamer, dem Architekten Prof. Kammerer und ca. 150 Zuhörern in der Kesselhalle des Schlachthofes.

„Bremen ist kein Messe-Standort“, bekräfigte der Messe-Geschäftsführer dabei gleich zu Eingang sein Credo. (Der Name seiner Gesellschaft war festgelegt worden, bevor er von der Hannover-Messe-AG nach Bremen geholt wurde.) Für Sewig ist klar: Bremen könnte eine bescheidenere Chance haben, wenn es einen Platz für Fachkongresse mit Ausstellungen anbietet. Einige Verbraucher-Ausstellungen gibt es in der Stadthalle schon, aber richtige Messen, die sich an den Einzelhandel wenden, gibt es eigentlich nur eine, die „Fisch“.

Der Journalist Holzamer war als Skeptiker auf's Podium geholt worden. Kaum ein Messe-Platz finanziert sich selbst, meinte er, die „unkontrollierte Zunahme von Ausstellungsfläche“ führe höchstens dazu, daß die Kommunen sich mit Subventionen dann weiter gegenseitig überbieten - eine „riskante Investition“ sei der Bau der Ausstellungshallen, kein privater Investor gebe offenkundig für sowas sein Geld her. Von dem Argument der „Umwegrendite“, daß nämlich die Stadt etwas davon habe und speziell das Hotel- und Gaststättengewerbe daran verdiene, wenn ab und an die Stadthalle die Besucher anlockt, davon halte er gar nichts.

Messe-Geschäftsführer Sewig insistierte auf dem Nutzen für die Region. Er konnte aber dem Hinweis, daß die bremischen Hotels von dem Betrieb des Kongreß-Zentrums CCB nach eigenen Angaben nichts gemerkt haben, nicht widersprechen. Auch was das CCB an Subventionen koste, könne er nicht sagen. Die Antwort ist einfach: Für die 130 Millionen Baukosten muß die Stadtgemeinde Jahr für Jahr knapp 10 Millionen Zinsen zahlen, Miete zahlt das Maritim als Betreiberin aber nur symbolische 200.000 Mark. Und auch das Maritim stehe „kurz vor der Pleite“, wollte ein Zwischenrufer wissen. Die neuen Hallen werden wieder jährliche Zinskosten von ca. 10 Millionen oder mehr bedeuten. Die Erwartung, daß der Fachkongreß-Betrieb dafür ein paar Mark Rendite abwirft, wäre übertrieben.

„Ob dieser ganze Mist überhaupt lohnt“, wollte einer von den Schlachthof-Zuhörern denn auch wissen. Bremen habe einen „Kleinstadtcharakter“, „wie passen so wahnsinnsgroße Hallen in diese Stadt?“, meinte eine Frau. Der Flohmarkt so wie er ist und nicht „qualitativ aufgewertet“, was Sewig forderte, sei „ein Stück Freiheit“, meinte ein dritter. Der Architekt Kammerer beklagte vor allem, daß die Bürgerweide nicht stadtplanerisch zum Bürgerpark hin geöffnet würde, sondern durch den neuen Hallenbau „wie ein Riegel“ abgeschlossen würde. Es habe keinerlei Bebauungsplan gegeben und keine Bauleit-Idee, die das für sinnvoll erkläre. Überhaupt werde die Bürgerweide den Bürgern weggenommen.

In der Tat soll nach den Vorstellungen von Sewig nicht mehr die Brepark und das Stadtamt die Nutzung der Bürgerweide verwalten, sondern die HVG, eine Holding von Stadthallen- und Messe-GmbH. So blieb für das Schlachthof-Publikum die entscheidende Frage, ob Sewig denn den Schlachthof selbst antasten wolle. Der Messe-Geschäftsführer versicherte, er sei „heute das erste mal drin“ und „finde ihn klasse“. „Muß der Schlachthof weg?“ Sewig: „Nein.“ Die Zuhörer waren wenigstens insoweit beruhigt.

Der Fach-Journalist der Süddeutschen war am Ende der „Schlachthof-Tribüne“ so sehr verunsichert von der konservativen Reaktion des Publikums, daß er sich auf die Seite von Sewig schlug und meinte, wenn die Hallen völlig veraltet seien und die Eislauf-Halle monatelang leer stehe, weil sie in überholter Technik gebaut sei, dann sei es doch richtig, alles abzureißen und neu zu bauen: „Man kann doch nicht sagen. wir lassen das so, wie es ist“, schloß er. 150 Millionen dafür seien nicht zuviel. K.W.

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