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"Blavatzkys Kinder" - Teil 34 (Krimi)

Teil 34

Das fünfte Bild schließlich schien nicht mehr als ein beliebiges Touristenfoto einer italienischen Burg zu sein, „Festung Gaeta“ hatte jemand mit Tusche und in altdeutscher Schrift in die rechte untere Ecke geschrieben.

Eine schwarze Schreibtischlampe mit Messingfuß beleuchtete die Arbeitsfläche. Hinter dem Schreibtisch waren ein Aktenregal und eine Kommode. Vor dem Schreibtisch standen zwei gepolsterte Besucherstühle. Am Schreibtisch saß auf einem schwarzledernen Drehstuhl mit breiten Armlehnen jener Mann, der die Eibner begrüßt hatte.

Gottfried Schulte las. Er sah vom Fax auf, das er soeben aus Wien erhalten hatte, als eine weibliche Stimme über die Sprechanlage den Assistenten des Führers ankündigte. Schulte ging dem modisch und teuer gekleideten jungen Mann entgegen und streckte jovial die Hand aus. Er lud den Besucher in die Sitzecke, bestellte nach Rückfrage Kaffee und Cognac. Der Grund für Hans Meixners Besuch war schnell geklärt. Jedes Jahr im Frühsommer kam er, um die letzten Vorbereitungen für den Besuch des Führers, für die Unterbringung der Truppen und für die regelmäßigen Sommermanöver zu treffen. Man hätte das auch mit den modernen Mitteln der technischen Kommunikation erledigen können. Niemand in der Organisation war technikfeindlich. Im Gegenteil, die Nachrichtenzentrale des Schlosses war besser ausgestattet als mancher westliche Geheimdienst. Aber es gab Dinge, betonte der Führer stets, die erforderten das persönliche Gespräch.

Der Lebenshof, der mit seinem besonderen Konzept jahrelang absichtsvoll im Schatten der Bewegung gehalten worden war, wurde allmählich zum Vorbild für die befreundeten Organisationen anderer Länder. Das war auch der Grund dafür, daß der Führer den Sommer über, mit einigen Unterbrechungen für Auslandsreisen, zu bleiben beabsichtigte. Seine Wohnung, eine sonderbare Mischung aus luxuriöser und spartanischer, militärischer Ausstattung, lag über dem Nachrichtenzentrum im linken Flügel des Schlosses und stand ihm stets zur Verfügung. Schulte wußte allerdings, daß ihn wichtige Ereignisse, wie beispielsweise die Veranstaltungen im bayerischen Wunsiedel im August, jedesmal für wenige Tage in Anspruch nahmen. Die Vorgespräche mit den Kontaktmännern bei der Polizei und die Kontrolle der Vorbereitungen der Basisaktivisten ließ sich der Führer von niemandem aus der Hand nehmen. Er hatte die Idee gehabt, von befreundeten Industriellen das Gründungskapital zu beschaffen, und besorgte laufend die notwendigen Betriebsmittel. Allmählich wurden einige Betriebsbereiche profitabel – nicht die militärischen Manöver, nein, aber für die stifteten die alten Kameraden und einige Firmen freudig und üppig, was immer gebraucht wurde. Die medizinischen Einrichtungen boomten, wie Schulte es vorausgesehen und der Führer, Deger, es anfangs bezweifelt hatte.

* * *

Reuter führte Miriam in sein Büro. Die übliche Chefzimmereinrichtung. Furnierte Schränke, ein halbrunder großer Schreibtisch mit Metallbeinen, ein hochlehniger Lederstuhl. Pflanzen am Tropf chemischer Hydrokultur. Verspielte Halogenlampen über einer üppigen Sitzgarnitur aus Leder und Metall.

„Ich habe zwei Konten des Lebenshofs gefunden. Eines läuft auf den Namen Gottfried Schulte. Ungewöhnlich ist, daß es regelmäßige Zahlungen aus dem Ausland gibt. Die größten Summen kommen von Gates, Simon & Partners, einer Anwaltskanzlei aus Pittsburg. Ihre Überweisungen gehen so regelmäßig ein wie ein Gehaltsscheck. Monatlich etwa vierzigtausend bis einhunderttausend Dollar. Als Verwendungszweck ist manchmal ,Spende‘ angegeben, meistens aber eine Art codierte Rechnungsnummer, aus der sich nur ein Datum herausfiltern läßt. Ein befreundetes Anwaltsbüro in Pittsburg hat für mich herausgefunden, daß Gates, Simon & Partners eng mit dem Gentechnikkonzern HighGene zusammenarbeitet. HighGene wiederum ist eine hundertprozentige Tochter des fünftgrößten Chemiekonzerns der Welt, HighChem. Gates and Company funktioniert in den USA außerdem als eingetragene Lobbyagentur. Sie sind offizielle Interessenvertreter von HighGene gegenüber Kongreß und Senat und besitzen für diesen Zweck eine Filiale in Washington D.C. Gates and Partners beraten des weiteren die Auslandsfilialen von HighGene. Ihre Haupttätigkeit scheint darin zu liegen, politische Entscheidungen durch Public Relation, Erpressung und Bestechung zugunsten ihres Geldgebers zu entscheiden.“

„Was hat das alles mit dem Lebenshof zu tun?“

„Ich weiß es nicht. Meine amerikanischen Kollegen äußerten den Verdacht, daß es sich bei Gates, Simon & Partners um eine Einrichtung zur Geldwäsche handelt. Es gab ein paar Gerüchte aus Finanzkreisen, aber nie wirkliche Beweise. Drogengeschäfte sollen es nicht sein.“

* * *

Daniel Reuter stieg in seine Limousine und fuhr los. Er wußte nicht, daß seine nächtliche Kontenrecherche protokolliert worden war. Zuerst hielt man es für einen Zufallseinbruch in die Datenbank der Organisation.

Der kleine dicke Mann hatte sich entschieden, nicht der Radfahrerin zu folgen, Neunundneunzig zu eins, daß sie nach Hause fuhr. Die Adresse kannte er. Er wollte wissen, mit wem sie sich getroffen hatte.

Nun folgte er Reuter zur Autobahn. Es wurde heller. Nürnberg, A 6 Richtung Amberg. Hinter Amberg verließen sie die Autobahn.

Fortsetzung folgt

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