: Sudanesen „psychisch am Ende“
Sieben Sudanesen befinden sich im Hungerstreik gegen ihre Abschiebung. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht ■ Aus Frankfurt am Main Heide Platen
Der Bundesgrenzschutz (BGS) hält an seinem unbeugsamen Willen fest, die hungerstreikenden Sudanesen im Transitbereich des Frankfurter Flughafens interniert zu halten und abzuschieben. Und daß, obwohl ein Mann inzwischen bewußtlos in ein Krankenhaus eingeliefert worden ist.
Sechs weitere waren am Dienstag streng bewacht zur ärztlichen Untersuchung in das Hoechster Stadtkrankenhaus gebracht und wieder zurück transportiert worden. Das Ergebnis der Untersuchung lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor. Pfarrer Stefan Hippler vom Flughafensozialdienst, der die Männer betreut, berichtete, daß sie „sehr apathisch, schwach und sehr, sehr mißtrauisch“ seien: „Die sind psychisch am Ende.“ Auch den Betreuern ist die Anspannung anzumerken: „Hier stehen ständig alle unter Strom.“
Die Sudanesen haben durchaus Grund für Angst und Mißtrauen. Am Dienstag vor einer Woche stand ihre Abschiebung schon einmal kurz bevor. Die Koffer waren gepackt und abtransportiert, die Männer harrten in einer Zelle auf den Abflug. Sie berichteten, daß sie von den BGS-Beamten überfallartig und handgreiflich dorthin gebracht worden waren. Aus Furcht vor Repressalien, Gefängnis und Folter in der Heimat hatten sie vorher sämtliche Papiere, die ihren Asylantrag betreffen, im Transitbereich C 182 zurückgelassen.
In letzter Sekunde war die Abschiebung dann durch einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht aufgeschoben worden. Vorher hatte die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestags, die grüne Bundestagsabgeordnete Christa Nickels, die Flüchtlinge mit großem Presseaufgebot besucht. Die Lufthansa-Maschine nach Khartum hob ohne die Sudanesen ab. Als sie allerdings hinterher ihre Koffer wieder auspacken durften, fanden sie darin zu ihrem Entsetzen alle ihre das Verfahren betreffenden Unterlagen wieder. Wären diese den sudanesischen Grenzkontrolleuren in die Hände gefallen, hätte das für die Männer lebensgefährlich sein können. Selbst die Deutsche Botschaft im Sudan hatte vorher gewarnt, daß solche Papiere Menschen gefährden, und gebeten, Abschiebungen „diskreter“ zu handhaben. Nach diesen Erfahrungen, sagte ein Betreuer, „haben sie völlig zugemacht“. Selbst zu der ärztlichen Untersuchung mußten sie überredet werden, denn sie seien entschlossen, „bis zum Ende“ zu hungern. Anfangs hatten sie auch nichts trinken wollen, „weil sie das Gefühl hatten, keine Zeit mehr zu haben“, und nur widerwillig angefangen, wieder Flüssigkeit zu sich zu nehmen: „Aber sie trinken einfach zu wenig.“
Die Männer, keiner über 30 Jahre alt, stammen aus dem Norden des Sudan. Sie gehören nicht zur verfolgten christlichen Opposition des Landes, sondern bezeichnen sich selbst als „gemäßigte Muslime“, die sich an der Universität gegen den brutalen Kurs der Fundamentalisten politisiert haben. Sie nahmen an Diskussionen und Demonstrationen teil und verteilten Flugblätter gegen den extremen Fundamentalismus und die Scharia und engagierten sich in die Oppositionsparteien Umma und DUP. Ihr Einsatz für einen liberalen, demokratischen Kurs brachte dreien von ihnen Gefängnis und Folter, deren Spuren „auch für Laien“ noch deutlich zu erkennen sind. Pro Asyl wirft den Behörden vor, bei der Anhörung „schlampig“ geprüft zu haben. Die als Grundlage herangezogenen Berichte des Auswärtigen Amtes seien veraltet, der Sicherheitsdienst der sudanesischen Diktatur sei „allgegenwärtig“, es herrsche Bürgerkrieg und Vertreibung.
Auch heute, fürchten Vertreter von Pro Asyl, muß wieder mit der Abschiebung gerechnet werden, sobald das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung vorliegt. Gleichzeitig wird seit heute morgen mit Sorge eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet. Die Anwältin von drei Betroffenen, Jutta Rock, hat außerdem neue Eilanträge beim Frankfurter Verwaltungsgericht gestellt, weil inzwischen die Gefährdung noch gestiegen sei. Nicht nur deutsche Medien, sondern auch die Zeitung al-Hayat hatte ausführlich über die Flüchtlinge berichtet. Rock: „Die wird in der gesamten arabischen Welt gelesen.“
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