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„Sie sind die, deren Rückkehr wir schon immer gewünscht haben“

■ Michel Rugema, Botschafter Ruandas in Bonn, meint, daß sich die Vertreibung der Flüchtlinge letztlich „als Segen erweisen“ könnte

taz: Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, daß Zaire jetzt ruandische Flüchtlinge abschiebt?

Michel Rugema: Zaire nennt als Grund die Aufhebung des Waffenembargos gegen Ruanda durch die UNO letzte Woche. Das verstehen wir nicht, denn das Embargo hat mit den Flüchtlingen nichts zu tun. Also kann das nicht der wahre Grund sein. Zaire verweist auch auf die Belastung durch die große Zahl der Flüchtlinge. Aber die Flüchtlinge sind seit einem Jahr in Zaire, und Zaire hat keinen Finger gerührt. Ich weiß nicht, was Zaire sonst für Gründe haben könnte.

Wurde Ruandas Regierung vorher informiert?

Nein. Das ist ja der Grund, warum es jetzt diese Krise gibt. Es hat in der Vergangenheit Gespräche zwischen den zairischen und den ruandischen Behörden über die Möglichkeit einer Rückführung der Flüchtlinge gegeben, es wurde sogar ein Abkommen zwischen Zaire, Ruanda und dem UNHCR geschlossen. Aber es wurde nie umgesetzt. Die Flüchtlingskonferenz von Nairobi im Februar 1995 und der Aktionsplan von Bujumbura im selben Monat sollten Wege ausloten, die Flüchtlinge zu repatriieren. Aber die internationale Gemeinschaft hat ihren Teil nicht getan.

Was hätte denn Ihrer Meinung nach getan werden sollen?

Zaire wurde gebeten, mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft die Verbrecher von den Unschuldigen zu trennen, so daß die unschuldigen Menschen in den Lagern, die von den Milizen als Geiseln gehalten wurden, zurückkommen könnten. Das ist nie geschehen. Ruanda wurde gebeten, die Flüchtlinge wieder aufzunehmen und zu integrieren. Die dazu nötige internationale Hilfe wurde nicht geleistet.

Aber nach dem Massaker von Kibeho durch die ruandische Armee im April gab es doch auch berechtigte Angst unter den Flüchtlingen in Zaire vor einer Rückkehr nach Ruanda.

Kibeho war kein Flüchtlingslager, sondern ein Lager für Vertriebene.

Die Flüchtlinge in Zaire fürchteten, daß ihnen bei einer Rückkehr dasselbe passieren könnte wie den Vertriebenen in Kibeho.

Nein. In den Lagern in Zaire wurde Propaganda dieser Art gemacht, aber die Lager haben mit Kibeho nichts zu tun.

Könnten die Ereignisse jetzt nicht dazu beitragen, die Krise zu entschärfen? Wenn Sie sagen, die Flüchtlinge in Zaire waren der Propaganda ausgesetzt, müßte es doch aus Ihrer Sicht nur richtig sein, daß sie jetzt nach Ruanda zurückkommen.

Die Flüchtlinge sind in Ruanda willkommen. Wenn die internationale Gemeinschaft jetzt Ruanda hilft, sie zu ernähren, zu kleiden und medizinisch zu versorgen, könnte sich die Sache letztendlich als Segen erweisen.

Sie meinen, daß diese Krise also Ruanda nützt?

Wir heißen die Flüchtlinge willkommen. Sie kommen nach Hause. Die Leute, die jetzt zurückkommen, sind die, deren Rückkehr wir schon immer gewünscht haben. Wir nehmen sie als Landsleute auf, sie haben nichts zu befürchten. Wir werden alles in unserer Kraft tun, das wenige, was wir haben, mit ihnen zu teilen. Aber wir haben sehr wenig, und so appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, uns zu helfen, sie zu integrieren.

Was geschieht mit Rückkehrern, die der Teilnahme am Völkermord verdächtigt werden?

Sie sind auch willkommen, weil sie Ruander sind, aber sie werden sich vor Gericht verantworten müssen.

Erwarten Sie, daß immer mehr Flüchtlinge kommen?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Zaire versucht ja mit der Aktion, internationale Aufmerksamkeit zu erregen. So könnte sich die Situation verbessern, wenn es internationalen Druck auf Zaire gibt. Wenn es diesen Druck nicht gibt, dann wird Zaire in der nahen Zukunft mit den Ausweisungen fortfahren. Das Gespräch führte

Dominic Johnson

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