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UNO hält Massenhinrichtungen für wahrscheinlich

■ Nach mehrwöchigem Zögern veröffentlicht die UNO den Bericht des ehemaligen Sonderberichterstatters für Menschenrechte in Ex-Jugoslawien Mazowiecki

Genf (taz) – Sechs Wochen nach der Eroberung der UNO-Schutzzone Srebrenica hat die UNO jetzt offiziell die Vermutung geäußert, daß ehemalige muslimische Bewohner der Stadt Opfer von Massenhinrichtungen durch die Karadžić-Serben wurden. Im gestern veröffentlichten 18. Bericht des bisherigen Sonderberichterstatters der UNO-Menschenrechtskommission, Tadeusz Mazowiecki, heißt es wörtlich: „Zur Frage von Massenhinrichtungen führt das vorliegende Material zu dem erschreckenden Schluß, daß sie stattgefunden haben könnten.“ Bis heute werden rund 6.000 Männer aus Srebrenica vermißt.

Seit der Eroberung Srebrenicas am 11. Juli verweigern die Serben sämtlichen Vertretern internationaler Organisationen sowie Journalisten den Zugang zu der Stadt. Unabhängig voneinander gaben mehrere Männer aus Srebrenica vor dem Sonderberichterstatter zu Protokoll, sie seien in großen Gruppen von serbischen Erschießungskommandos auf ein Feld in der Nähe Srebrenicas gebracht worden. Dort hätten die Massenerschießungen stattgefunden. Nach ihren Angaben haben die Zeugen die Gewehrsalven der Serben überlebt – zumeist nach stundenlangem Ausharren unter den Leichen.

Der Verdacht auf Massenerschießungen hatte sich verstärkt, nachdem die USA dem UNO-Sicherheitsrat vorletzte Woche Satelliten-Aufnahmen zweier möglicher Massengräber in der Region vorgelegt hatten. Endgültige Klarheit lasse sich erst nach einer Öffnung der mutmaßlichen Massengräber schaffen, erklärte Mazowiecki in seinem Bericht. Mazowiecki hatte unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Bosnien seinen Rücktritt erklärt, aus Protest gegen den Fall der UNO-Schutzzonen Srebrenica und Žepa. In seinem Bericht, mit dessen Veröffentlichung die New Yorker UNO- Zentrale ungewöhnlich lange gewartet hatte, wiederholt Mazowiecki schon damals formulierte Kritik, UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali und die internationale Gemeinschaft hätten „das Konzept der UNO-Schutzzonen praktisch nur auf dem Papier existieren lassen“. Andreas Zumach

Heftige Artillerieduelle

Sarajevo (AP/dpa/taz) – Mit schwerster Artillerie hat die schnelle Eingreiftruppe am Dienstag abend erstmals einen Angriff serbischer Truppen auf eine Stellung von Blauhelmsoldaten beantwortet, bei dem sechs ägyptische UN-Soldaten zum Teil schwer verletzt worden waren. Über die Trefferquote herrschte nach UN-Angaben gestern noch keine Klarheit. Insgesamt feuerten Serben und Regierungstruppen am Dienstag mehr als 100 Granaten, Raketen und andere größere Geschosse gegeneinander ab. Nach neuesten Angaben des bosnischen Gesundheitsministeriums wurden acht Menschen getötet, 41 weitere verletzt. Das Feuer war das schwerste in der belagerten Stadt nach rund zwei Wochen relativer Ruhe.

Kroatien hat die Europäische Union gebeten, etwa 25.000 Anhänger des abtrünnigen Muslimführers Abdić aufzunehmen. 5.000 sollen in Kroatien bleiben dürfen. Kroatien hatte vergeblich versucht, die Flüchtlinge nach Nordbosnien zurückzutreiben. Die Menschen hausen in der Krajina unter „dramatischen“ Umständen.

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