Sanssouci
: Nachschlag

■ Sommerkleidung ist doch vor allem eine Frage der Notwehr

Kühler soll es heute angeblich werden, regnerisch und stürmisch. So lautet zumindest die hoffnungsvolle Prognose der Bild- Zeitungs-Wetterfrösche. Tatsächlich: endlich bringen ein paar Wolken ein wenig Abwechslung in den penetrant blauen Himmel. Die Hitzewelle ist vorbei, und ich bin froh darüber. Schluß mit den Temperaturen, die einem bei der kleinsten Bewegung, wie einem Achselzucken, den Schweiß auf die Stirn treiben.

Schlimmer als der eigene Schweiß ist jedoch der der anderen. Deshalb bin ich seit Wochen nicht mehr mit der U-Bahn gefahren. Von nassen, leichtbekleideten Körpern im Gedränge beglitscht zu werden, ist schließlich schon schlimm genug. Doch wenn sich die eigene Nasenspitze dabei grundsätzlich auf Achselhöhe der Mitmenschen befindet, ist das schlichtweg die Hölle. Wir Mitteleuropäer sind für diese Temperaturen eben nicht geschaffen. Der Beweis: Mein Mitbewohner ist mit roten Hitzepusteln übersät, und selbst mein Hund liegt seit acht Wochen im Koma. Seine Lebensverweigerung geht sogar so weit, daß er beschloß, immer weniger zu werden: Der Hund haart nämlich nicht, wie alle Vierbeiner im Sommer, sondern er büschelt gleich.

Im Grunde genommen geht es mir wie meiner Töle. Denn auch ich habe jegliches Verhältnis zu Frisur und Outfit verloren. Jeans, Sweat-Shirt, Socken, Jacke – ich weiß kaum noch, wie man diese Worte buchstabiert. Zwei paar kurze Hosen und fünf T-Shirts gehören statt dessen zu meiner Grundausstattung, wobei eine Garnitur immer zum Trocknen auf der Wäschespinne hängt. Dazu habe ich für jeden Wochentag ein anderes Paar Turnschuhe, um den Schweißgeruch der Füße in einem für meine Umwelt erträglichen Ausmaß zu halten. Eine nicht unbedingt attraktive Garderobe zwar, aber immerhin stilvoll. Die Klamottenfrage ist momentan ohnehin eher eine Sache der Notwehr denn des guten Geschmacks. Davon zeugen etwa die spargelbeinigen Kerle in Shorts und die in der Neuköllner Damenwelt so beliebten pinkfarbenen Radlerhosen. Wer könnte den hitzegeplagten Menschen derartige Entgleisungen verdenken?

„Mein Kollege mobbt micht“, gestand mir gestern der Comiczeichner r Tom. Ein Verhalten, das mich bei einem Blick auf seine nicht gerade formschönen Plastiksandalen wenig wundert. „Dabei sind die doch gar nicht so schlecht und vor allem praktisch.“ Mitnichten. Selbst bei weiteren acht Wochen Hitzewelle würde ich so tief nicht sinken! Ich bleibe bei den Chucks. Außerdem kann ich meinen Hund immer noch damit kurzfristig aus dem Koma reißen, daß ich mir meine Schuhe ausziehe. Kirsten Niemann