■ Abschiebehaft: Strafe genug
Für unangenehme Dinge gibt es meist wohlklingende Umschreibungen. Damit niemand weiß, was gemeint ist, heißt beispielsweise der Todesschuß eines Polizisten ja auch nicht so, sondern finaler Rettungsschuß. Im Vokabular der Verschleierungen gibt es wenige Ausnahmen. Das Wort „Abschiebehaft“ zählt zu diesen. Ausländer, die, aus welchem Grund auch immer, unfreiwillig dieses Land verlassen müssen, werden abgeschoben und zu diesem Zweck erst einmal verhaftet. Nicht nur unter Abschieben kann sich jeder etwas vorstellen, sondern auch unter Haft. Wer denkt da nicht an Knast und Verbrecher? In dieser Hinsicht ist das Wort Abschiebehaft sogar sympathisch, versucht der Begriff doch gar nicht erst zu verhehlen, wie in Deutschland allzu oft ein Mensch betrachtet wird, der vor Krieg, Folter oder auch nur Elend in Irgendwo flüchtet.
Ob ein Flüchtling zu Recht hier sein darf oder nicht, ist eine Frage. Hat er sich aber nichts zuschulden kommen lassen, ist es keine Frage, daß er selbstverständlich nicht wie ein Straftäter behandelt werden darf. Wenn der Senat Abschiebehäftlinge nun nach den gesetzlichen Bestimmungen des Strafvollzugs unterbringen will, ist das deshalb genau das falsche Signal. Ein Gesetz für die Unterbringung von Abschiebehäftlingen muß im Gegensatz zum Justizvollzug nämlich nicht Strafe, sondern die Ausreise zum Zweck haben und hat dabei den Betroffenen die größtmögliche Freiheit zu gewähren. Deshalb darf der Schutz von suizidgefährdeten Abschiebehäftlingen vor sich selbst nicht gegen diese gerichtet werden, wie die CDU dies offenbar will. Statt Fernsehen zu verbieten oder zu erschweren, weil Stromkabel gefährlich sein könnten, haben die Menschen in ihrer Notlage ein Recht auf Betreuung. Die Abschiebung allein ist für sie schon Strafe genug. Dirk Wildt
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