Das Klima mit der Anlage bekämpfen

■ Immer mehr Deutsche lassen sich mit Klimaanlagen in ihren Autos und zu Hause kühlen. Den Spritverbrauch erhöht es deutlich und dem Klima schadet es auch

Wer es sich leisten kann, sollte sich im Treibhaus Erde eine kühle Ecke einrichten. Von wegen, wir sitzen alle im selben Raumschiff. Für schon 1.200 bis 2.000 Mark gibt es mobile Klimaanlagen, mit denen man der Sauna im Wohnzimmer entfliehen kann. Einfach das Gerät an die Steckdose anschließen, Schlauch aus dem Fenster hängen, und die Hitze kann einem Schnuppe sein.

Daß das Gerät Strom frißt immerhin etwa 2.000 Watt in der Stunde, ja, das ist ärgerlich. Schließlich trägt es auf diese Weise zur Kohlendioxidproduktion und damit zum Treibhauseffekt bei. Und auch das Kühlmittel R134a, das gelegentlich aus den Schläuchen entweicht, ist leider klimawirksam. Im Grunde handelt es sich also um einen pfiffigen Trick der Produzenten, die so die Zufriedenheit ihrer Kundschaft erhöhen – auch wenn noch nicht sicher ist, daß der neue Jahrhundertsommer irgendwas mit globaler Erwärmung zu tun hat.

Schade bei dem allen ist nur, daß am Standort Deutschland noch kein Hersteller dieses zukunftsträchtige Marktsegment besetzt hat. So machten Unternehmen aus Japan, Italien, Spanien und den USA den Reibach. Immerhin 60.000 Anlagen wurden dieses Jahr von transpirierenden Deutschen nachgefragt. Im letzten Jahr hatten erst etwa 45.000 Haushalte diese Investition gewagt.

Bei Autoklimaanlagen haben wir jedoch immerhin zwei Füße in der Tür. Die Stuttgarter Firma Behr produziert wie wild, damit die FahrerInnen von Europas Blechbüchsenflotte im Sommer nicht an ihren Sitzen festkleben. Fast eine Milliarde Mark Umsatz machte der Betrieb im letzten Jahr; 1993 war es noch ein Fünftel weniger. Und Siemens ist mit 21 Prozent an der gerade gegründeten Valéo Climatisation SA in Paris beteiligt, dem zweiten Hauptanbieter Europas in dieser Branche.

1.000 bis 5.000 Mark kostet solch ein kühler Luxus. Fast jedes Automodell kann inzwischen als Antibackofenvariante bestellt werden. Angesichts des mediterranen Wetters machen davon immer mehr KäuferInnen von Mittelklassewagen Gebrauch: Etwa jeder vierte Neuwagen in Deutschland hat inzwischen eine Klimaanlage. Auch hier wird die künstliche Kühlung durch ihren Beitrag zur globalen Erwärmung – zumindestens langfristig – doppelt unentbehrlich. Das 30 bis 40 Kilogramm schwere Gerät treibt den Energieverbrauch nämlich massiv in die Höhe: Etwa einen halben bis einen Liter Benzin mehr muß man für klimatisierte 100 Kilometer zusätzlich tanken. Hinzu kommt, daß in einem zehnjährigen Autoleben durchschnittlich 1,5 bis 2 Kilo des Kühlmittels F134a freigesetzt werden, wie selbst die Hersteller einräumen. Das Zeug ist 30 bis 50 mal so schlimm fürs Klima wie Kohlendioxid, sagt Rainer Grießhammer vom Öko-Institut. Summa summarum: Der Treibhauseffekt durch den Betrieb einer Autokühlanlage entspreche über 10 Jahre dem, was bei einer 20.000 Kilometer weiten Reise aus dem Auspuffrohr kommt. Völlig uncool, diese Kalkulation. In einem Raum mit Klimaanlage wäre ihm dieser Gedanke wohl nicht gekommen.

Immerhin werden keine neuen Klimaanlagen mehr mit dem Klima- und Ozonkiller FCKW betrieben. Aber eine teure Umrüstung der alten Anlagen, die den BesitzerInnen von Kühlhäusern und wohltemperierten Limousinen vor ein paar Jahren kurzfristig den Angstschweiß auf die Stirn trieb, ist auch ausgeblieben. Ex-Umweltminister Klaus Töpfer hatte für sie vorgesorgt. Recyceltes FCKW darf nämlich nach wie vor eingefüllt werden. Und das haben Kälte- und Klimafachhändler immer noch vorrätig. Entweder stammt es aus ihrer Absauganlage, mit der sie alte Geräte geleert haben. Oder sie beziehen es aus chinesischen oder indischen Fabriken, die das Teufelszeug nach wie vor ganz legal und mit internationalem Segen produzieren. Als Second-Hand- Ware proklamiert kommt es nach Deutschland – wer will schon nachweisen, daß die Fluorchlorkohlenwasserstoffe neu sind und nicht aufbereitet wurden? Ärgerlich findet die Firma Hoechst dieses gesetzliche Schlupfloch. Der von dem Chemiekonzern entwickelte Ersatzstoff F134a, der fürs Klima etwas weniger schlimm ist als FCKW und vor allem nicht das Ozonloch vergrößert, läuft nur schleppend.

Und die Hoechst-FCKW-Vernichtungsanlage, die 8.000 Tonnen im Jahr unschädlich machen könnte, hat weniger als 100 Kilo zu fressen. Erstaunlich wurden doch in der Mainmetropole in „besten Zeiten“ 80.000 Tonnen des Klima- und Ozonkillers produziert. Selbst wenn Hoechst sich bereit erklärt, die Kosten fürs Einsammeln zu übernehmen, kommt fast nichts zurück. „Ohne gesetzlichen Zwang klappt so ein Rücknahmemodell nicht, weil es den Händlern Arbeit macht und nichts bringt“, konstatiert Grießhammer. De facto wird also das FCKW nach und nach aus Autos und Kühlschränken ausdünsten und in die Atmosphäre gelangen. Die Kühle der einen sorgt für die Erwärmung des Ganzen. Der Hitze von morgen kann man dann mit dem Kauf einer individuellen Klimaanlage begegnen. Annette Jensen