Protest mit Muschelhörnern

Polynesier und Greenpeace tun sich schwer, gemeinsam zu demonstrieren. Viel Presse bei Greenpeace-Landung / Überfahrt mit Chance zu kotzen  ■ Aus Papeete Nicola Liebert

Papeete (taz) – Die polynesische Organisation Hiti Tau hat den immer nach visuellen Kicks gierenden Medienmenschen einiges zu bieten, wenn sie zur Pressekonferenz lädt: Im mit Transparenten und zahlreichen bunten Fahnen dekorierten Friedensdorf der Atomtestgegner mitten in der Hauptstadt Papeete rufen Männer die geladenen Journalisten mit Muschelhörnern herbei. Tahitianer, viele von ihnen mit Kronen aus spitzen Blättern und Blüten im Haar geschmückt, stehen im Halbkreis um einen Berg von Bananenstauden, Ananas, Papaya, Taro- und Yamwurzeln, dekoriert mit Gestecken aus Blättern und umgeben von aus je einem Kokospalmblatt geflochtenen Körben. Das ist der Proviant, den die Aktivisten des tahitianischen NGO-Netzes Hiti Tau für die morgen nach Moruroa auslaufenden Boote zusammengetragen haben.

Greenpeace hat dagegen bloß ein Boot zu bieten, das jedeR schon mal irgendwo im Fernsehen und in Zeitschriften gesehen hat: die Rainbow Warrior II. Von Fidschi kommend legte das Schiff kurz nach Beginn der Hiti-Tau-Pressekonferenz in Papeete an.

Zur Konferenz im Friedensdorf der polynesischen Protestbewegung kam etwa ein halbes Dutzend Journalisten, zur Hälfte aus Papeete selbst. Auf dem Kai am entlegenen Ende des Hafens warteten allein 20 Kamerateams und ein Pulk von Journalisten aller übrigen Medien auf das Einlaufen des Schiffes. So gut wie sämtliche deutschen Fernsehsender waren präsent. Die französischen Medien interessierten sich, und natürlich fehlten auch Australien, Neuseeland und Japan nicht.

„Fünf bis zehn Prozent der Bilder im Fernsehen sind dem polynesischem Volk gewidmet, der Rest Greenpeace und ein paar anderen Atomtestgegnern in verschiedenen Ländern“, ist das erste, was der Hiti-Tau-Vorsitzende Gabriel Tetiarahi seinen JournalistInnen zu sagen hat. „Dabei leidet unser Volk und nicht Greenpeace unter den Atomtests.“ Das Verhältnis zwischen Hiti Tau und der internationalen Umweltorganisation, die zunächst als natürlicher Verbündeter willkommen geheißen wurde, ist offenkundig getrübt.

Von Seiten der Tahitianer war zunächst nur ein einsamer fahnenschwingender Junge von der Unabhängigkeitspartei zur Begrüßung des Greenpeace-Flaggschiffs gekommen. Dabei war die Besatzung der Rainbow Warrior kürzlich in Papeete von einem großen Empfangskomitee, hauptsächlich von Hiti Tau, mit Blütenketten reich behängt worden.

Tetiarahi, der von allen nur Gabi genannt wird, klagt darüber, daß die tahitianische Organisation oft genug nicht mal informiert wurde über die nächsten Schritte von Greenpeace. Auch die Planung einer Demo von Parlamentariern aus aller Welt sei an den Tahitianern völlig vorbeigelaufen.

Und bis vor kurzem, erzählt Gabi, habe Greenpeace sich geweigert, Pirogen auf seinen Schiffen mitzunehmen, mit denen dann polynesische Atomtestgegner in die Zwölfmeilenzone um Moruroa eindringen wollen. „Es ist eine moralische Verpflichtung, daß auch Polynesier bei den Protesten dabei sind“, fordert Gabi. Auf seinem T-Shirt prangt der Spruch „Zusammen stoppen wir die Atomtests.“

Immerhin sind inzwischen zwei Polynesier an Bord des Greenpeace- Schiffes Vega gegangen. Der US- amerikanische Kapitän, der drei Hiti-Tau-Mitglieder mitnehmen wollte, hat inzwischen die Ausfahrtgenehmigung erhalten, doch nun kann einer der drei Tahitianer nicht mitfahren. Sein Arbeitgeber, die Hafenverwaltung, die der französischen Regierung untersteht, hat ihm mit Kündigung gedroht, wenn er fährt. Eine Änderung bei den mitfahrenden Personen aber wiederum bedeutet, daß die Ausfahrtgenehmigung erneut beantragt werden muß.

Die ausländischen Journalisten interessiert derlei jedoch wenig. Sie tragen auf der Rainbow Warrior Kämpfe aus, um ja keinen Tropfen Ambrosia von den Lippen der Umweltkämpfer zu verpassen. Und so erfuhren sie – praktisch exklusiv –, daß Greenpeace Atomtests irgendwie nicht gut findet.

Fünf Journalisten dürfen auf der Rainbow Warrior II selbst mitfahren, vier weitere werden ein Stück weit, bis zur MV Greenpeace, die ebenfalls Kurs auf Moruroa genommen hat, mitgenommen. Schön werden sie es haben: Es gibt nicht genügend Betten, und der Seegang ist so hoch, daß so mancher Mageninhalt schon über Bord gegangen ist. Viele Boote mit DemonstrantInnen, die aus Neuseeland nach Tahiti kommen wollten, mußten wegen der stürmischen See aufgeben. Im Augenblick rechnen die Organisatoren nur noch mit einer Protestflottille von 20 Schiffen.

Auf den Greenpeace-Schiffen wird es zumindest ausreichend Bananen zum Nachstopfen geben. Denn am Nachmittag, in einer versöhnlichen Geste, wurde auch die Greenpeace-Besatzung von Hiti Tau zu einer Begrüßungszeremonie eingeladen und bekam Obst überreicht.