Argentinien – Asylparadies der Altnazigrößen

■ Unter der Regentschaft von Juan Domingo Perón war Argentinien ein sicherer Hafen für deutsche Nazigrößen. Die Fluchthelfer sind bis heute unbekannt.

Als die US-Reporter von ABC Erich Priebke in Bariloche aufspürten, da fanden sie gleich noch Hinweise auf mindestens vier weitere Altnazis, die seit Jahren unbehelligt in Patagoniens Alpenstädtchen lebten. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum forderte prompt die Einrichtung einer Sonderbehörde der argentinischen Polizei, die sich ausschließlich dem Aufspüren von Altnazis in Argentinien widmen sollte. Präsident Carlos Menem sagte eine Prüfung zu und meinte, Bariloche sei kein schlechter Standort für eine solche Behörde.

Bariloche spürte wieder einmal die Nachwirkungen dessen, was Nazijäger weltweit als „Rattenlinie“ gegeißelt, aber nie umfassend hatten aufklären können – den Exodus deutscher Nazis nach Argentinien Ende der 40er Jahre. Viele Facetten dieser Flucht liegen bis heute im dunkeln.

Lange Zeit hieß es, daß der Vatikan Hilfestellung geleistet hätte. Es gab viele Indizien, aber keine schlüssigen Beweise. Sicher ist, daß viele der zur Auswanderung notwendigen Papiere vom Internationalen Roten Kreuz ausgestellt wurden. Alle Vorwürfe der Komplizenschaft kontert das Rote Kreuz bis heute mit dem Argument, es sei nicht seine Aufgabe gewesen, über die Antragsteller für Reisedokumente in jenen Jahren Nachforschungen anzustellen.

Ob es also tatsächlich eine Art Netzwerk gab, das die Flucht nach Argentinien zentral organisierte, ist bis heute unklar. Sicher aber ist, daß die damalige argentinische Regierung unter General Juan Domingo Perón (1946–55) die Einwanderung von Nazis nach Argentinien guthieß und förderte. Der populistische General, der offen mit den Ideen eines Adolf Hitler oder eines Benito Mussolini sympathisierte, stand dabei ganz in der argentinischen Migrationstradition. Schon in den zwanziger Jahren waren zahlreiche Deutsche nach Argentinien gekommen, darunter politische Kriminelle wie Kurt Vogel, der als Freikorpsoffizier an der Ermordung Rosa Luxemburgs in Berlin beteiligt war. Mit dem Aufstieg der NSDAP in Deutschland wuchs auch deren Auslandssektion in Argentien – zur viertgrößten NS-Auslandsabteilung weltweit.

Aber nicht nur politischer Sympathien wegen gewährte Argentinien den Ex-Nazis großzügiges Asyl: Schon lange vor der Kapitulation hatten die Nazis den Transfer umfangreicher Vermögenswerte zunächst auf Schweizer Bankkonten und dann ins Ausland organisiert – nach Schätzungen soll Perón so rund 100 Millionen Dollar erhalten haben. Daß die Nazis selbst hinterherkommen konnten, verstand sich da von selbst.

Die argentinische Regierung, soviel ist bekannt, unterhielt nach Kriegsende eine Beraterkommission aus europäischen Einwanderern, die bei der Ausstellung von Einreisepapieren Empfehlungen aussprach. Wie das funktionierte, zeigt etwa der Fall des pronationalsozialistischen Ex-Premiers von Jugoslawien, Milan Stojadinović (1935–39). Im Juni 1947 forderte die US-Botschaft in Buenos Aires die argentinischen Behörden auf, Stojadinović die Einreise zu verweigern, sollte er diese beantragen. Im September tauchte ein gebürtiger Jugoslawe namens Branko Benzon bei der Migrationsbehörde auf und verlangte, Stojadinović und seine Familie einreisen zu lassen. Einen Tag später war die Einreiseerlaubnis erteilt – jener Benzon war Mitglied der geheimen Beraterkommission.

Und so kamen sie alle, die Bekannten wie „Endlösungs“-Organisator Adolf Eichmann und KZ- Arzt Josef Mengele, ebenso wie die damals noch Unbekannten wie KZ-Aufseher Josef Schwammberger oder eben SS-Hauptmann Erich Priebke. Mengele, so belegt ein Memorandum der argentinischen Bundespolizei von 1964, reiste am 20. Mai 1949 nach Argentinien ein, ausgestattet mit einem vom Internationalen Roten Kreuz auf den Namen Gregor Helmut ausgestellten Paß. Im November 1956 ließ er offiziell bei den argentinischen Behörden seinen Namen ändern. Zu diesem Zweck präsentierte er die Geburtsurkunde mit seinem richtigen Namen, Josef Mengele – abgestempelt wenige Tage zuvor bei der deutschen Botschaft in Buenos Aires. Bernd Pickert.