Rettung vor rabiater Richterin

■ Sechs Sudanesen werden in letzter Minute vom Bundesgrenzschutz aus startbereitem Flugzeug befreit

Frankfurt/Main – Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen mußte gestern das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sechs Sudanesen vor einer Frankfurter Verwaltungsrichterin schützen. Buchstäblich in letzter Minute holte der Bundesgrenzschutz (BGS) gestern mittag auf eine einstweilige Anordnung des BVerfG hin die Asylsuchenden aus der startbereiten Lufthansa-Maschine nach Khartum. Seit dem 4. August waren sie im Transitbereich des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens im Hungerstreik. Noch vorgestern hatten die Karlsruher Richter eine erneute Prüfung der Asylanträge angeordnet.

Dennoch sollten sie nach einem Beschluß der Frankfurter Verwaltungsrichterin Loizides gestern um 14.15 Uhr abgeschoben werden. Um 13.45 Uhr entschied dann das BVerfG, daß die Flüchtlinge zumindest bis zum 9. September bleiben dürfen. Loizides, die schon in der Vergangenheit durch rigide Urteile gegen Flüchtlinge bekannt geworden war, suchte offensichtlich den direkten Konfrontationskurs mit den Bundesrichtern. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte noch am Mittwoch dem Verwaltungsgericht aufgegeben, den Fall neu zu prüfen, weil die Gefährdung der Männer durch Veröffentlichungen – unter anderem in einer arabischen Tageszeitung – gestiegen sei. Loizides jedoch erneuerte noch am gleichen Abend ihre Mitte August gefällte Entscheidung, daß die Männer Deutschland verlassen müssen. Die höchstrichterlichen Befürchtungen nannte sie „eine reine Vermutung“, so Loizides.

Außerdem ordnete sie an, daß die Sudanesen ab sofort täglich vom Vertragsarzt des BGS auf ihre Flugtauglichkeit zu untersuchen seien. Bereits gestern vormittag folgte der Vollzug. Stefan Hippler vom Flughafensozialdienst berichtete, sie seien „mit Gepäck zur amtsärztlichen Untersuchung“ und dann in das Flugzeug gebracht worden. Inzwischen hatte Pro Asyl den Vorstand der Lufthansa, Flottenadmiräle und das Crew-Team darauf hingewiesen, daß es widersprüchliche ärztliche Gutachten über den Gesundheitszustand der Männer gebe. Bernd Kopf vom Vorstand der Pilotenorganisation „Cockpit“ sagte, auch der Flugkapitän müsse sich „an geltendes Recht und ordentliche Gerichtsurteile halten“ und könne den Transport nicht einfach ablehnen.

Der katholische Bischof von Limburg, Kamphaus, und der evangelische Kirchenpräsident Steinacker als Träger des Flughafensozialdienstes baten gestern vormittag in einem Brief an Innenminister Kanther um Aufschub. Sie seien auf der Suche nach einem Drittland, das die Sudanesen aufnehmen könne. Im hessischen Sozialministerium herrschte Ratlosigkeit. Pressesprecherin Renate Gunzenhauser: „Uns sind gegen das in Bonn geschaffene Recht die Hände gebunden.“ Offiziell gelten die Männer bisher als nicht eingereist, obwohl sie am Mittwoch zu einer Untersuchung ins Höchster Stadtkrankenhaus gebracht worden waren. Dort liegt noch ein siebter Sudanese, der bei dem Hungerstreik bewußtlos geworden war.

Auf einer Pressekonferenz nannten gestern Vertreter von Pro Asyl, Kirchen und Flughafensozialdienst den Aufschub „ein Signal“ und „einen klaren Hinweis“ zugunsten der Flüchtlinge. Heide Platen