Offen für Frischzeug

■ Der Kunstladen fürs Junggemüse: Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst feiert ihr 15jähriges

Der Schock saß tief. Ein Puff in der Galerie? Huren als Kunstobjekte? Fassungslos stand das Bremer Kunstpublikum vor dem „Roxy's“, einem im Maßstab 1:1 nachgebauten Bordell des US-Popkünstlers Edward Kienholz. „Ob es sich hier um ,Kunst' oder Jahrmarktsgeschrei handle“, blieb in den Augen des pikierten Kritikers der „Bremer Nachrichten“ jedenfalls offen – 20 Jahre, nachdem das umstrittene Kunststück entstanden war.

Seine Bremer Premiere erlebte Kienholzens Kunstpuff nämlich erst im März 1982. Ort der Skandalschau: die junge GAK (Gesellschaft für Aktuelle Kunst). Amüsiert liest Leiterin Eva Schmidt heute die alte Zeitungskritik. Der Nachholbedarf der Bremer, das ahnt sie, muß zur Gründungszeit der GAK recht groß gewesen sein. Eigentlich wollte die GAK, als alternativer Kunstverein, ja endlich mal „zeitgenössische Kunst“ nach Bremen holen. Daß man zuerst aber die Popkunst der 60er ausstellte – anderswo längst durchgekaut – sowie den hemdsärmeligen Sozialrealismus der Bremer Szene – Jürgen Waller und die Folgen –, das zeigte den traurigen Stand der Dinge an. Inzwischen hat Bremen Anschluß an die Neuzeit. Daß dies so ist, führt Eva Schmidt auch auf das Engagement der GAK zurück.

Selbst das „Roxy's“ regt niemanden mehr auf. Das Skandalstück von damals besitzt nun auch in Bremen Museumsrang. Das Etablissement befindet sich heuer im 2. Stock des Neuen Museums Weserburg – schräg gegenüber der GAK. Der alte Auftrag aber hat für Schmidt nichts an Aktualität verloren: den Bremern die Ideen der internationalen Kunstszene vor die Haustür zu liefern.

Eva Schmidt spricht ein wenig zögerlich, wenn sie über ihre Art der Kunstvermittlung spricht. „Das klingt dann immer so nach Bildungsbürgertum“, ist eine ihrer häufigsten Nebenbemerkungen. Bilden aber will sie die Menschen schon. „Existenziell weiterbilden, ganz umfassend“, durch Kunst. Nicht belehren, schon gar nicht „mit dem Holzhammer arbeiten“ wie bei mancher museumspädagogischen Führung. Ganz im Sinne von Joseph Beuys selig hat Kunst für sie stets politischen Charakter. Vor zwei Jahren ließ sie den chilenischen Künstler Alfredo Jaar Lichtkästen in der GAK aufhängen. Darauf zu sehen: Bilder von bewegten Wassern, für sich hübsch anzuschauen; dazwischen aber mischten sich Motive vietnamesischer Boat People. Und schon war die leuchtende Raumkunst gar nicht mehr so harmlos und beschaulich.

Es war eine der ersten Ausstellungen, die Schmidt als neue GAK-Leiterin nach Bremen holte. Ihr persönliches Kunstcredo ist darin programmatisch abgebildet: Junge Kunst soll es sein, Kunst aus anderen Kulturkreisen – Kunst, „die sich stärker in die Welt begibt“. Nicht ganz zufällig blieb die weite Fensterfront der GAK bis heute ohne Vorhänge – Ausblicke nach draußen sind erwünscht. Nicht ganz zufällig sind die Fenster z.B. im benachbarten Museum Weserburg häufig zugehängt – im neo-asketischen Musentempel von Direktor Deecke ist die Kunst sich selbst genug.

So bleibt der GAK noch genug zu tun in Bremen. Auch, wenn sie längst nicht mehr die einzige Insel für junge Kunst ist. „In den 80er Jahren hat Bremen einen unglaublichen Schub erlebt“, sagt Schmidt: Jetzt gibt es junge Regionalkunst in der Städtischen Galerie, Kunst der 60er und 70er in der Weserburg, es gibt Galerien wie Seinsoth und Rabus fürs Feine, und selbst die alte Dame Kunsthalle rafft sich auf, sich ein neues, junges Image zu geben. Aber der Boom ist vorbei. Und die Idee von Kunst als Massenattraktion ist Vergangenheit. Eva Schmidt findet's nicht gar so schlimm. „Wenn die Massen durch die Museen laufen, frage ich mich: Warum sind die eigentlich hier? Was sehen die wirklich?“

Im Schnitt kämen 700 Leute in die GAK-Ausstellungen; gern hätte die Leiterin die Zahl gesteigert. Aber die Bremer, so mußte sie feststellen, „sind eben nicht so fanatische Kunstengagierte“. Dafür aber „gibt es eine kleine, interessierte Kunstgemeinde“ für wirklich junge Kunst. Und die trifft sich nach wie vor in der GAK, Bremens offenstem Fenster zur Welt der Kunst.

Thomas Wolff

GAK-Geburtstagparty am Sonntag, 27.8., ab 13.30 Uhr, mit einem Blick in alte Akten von Karin Puck (Teerhof 21)