: Osten soll rot bleiben
■ PDS eröffnet Wahlkampf mit Halsbonbons. Gregor Gysi ist das Zugpferd. Die Wahlkampfstrategie ist umstritten
Das Wahlkampfmaterial der PDS ist klassisch. Mit Bonbons gegen den rechten Halskatarrh und Brillenputztücher für den linken Durchblick begrüßten die demokratischen Sozialisten gestern die Journalisten zu ihrer Pressekonferenz zum Wahlkampfauftakt.
Die Genossen geben sich optimistisch. Auch bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 22. Oktober will die PDS den Ostteil der Stadt erobern. Rund 35 Prozent im Osten und 3 Prozent im Westen sollen die PDS erneut zur drittstärksten Partei in Berlin machen.
Zwei Drittel der 36 Ostberliner Direktmandate will die PDS erringen, und in Hohenschönhausen rechnet sie sich darüber hinaus große Chancen aus, erstmals in einem Ostberliner Bezirk auch einen Bürgermeistersessel zu erobern. „Wir wollen“, verkündete die Landesvorsitzende Petra Pau, „an die Ergebnisse der Bundestagswahlen im vergangenen Herbst anknüpfen.“
Doch da werden sich die Genossen gewaltig anstrengen müssen, denn noch liegt die PDS bei Umfragen nicht bei den angepeilten 15, sondern lediglich bei 11 Prozent der Wählerstimmen. Stolze 985.000 Mark investiert die PDS dafür in ihren Wahlkampf, davon fließen mindestens 80.000 DM in einen Sonderwahlkampffonds für den Westteil der Stadt.
Ihre Wahlkampfschwerpunkte umreißt die PDS so: Neben der Stadtentwicklung und Hauptstadtplanung sowie den sozialen Themen Arbeit, Renten und Frauen heißt der Wahlkampftrumpf „Gregor Gysi“. Auf 30 der bislang geplanten 300 Wahlkampfveranstaltungen wird der PDS-Bundestagsabgeordnete auftreten. Er soll die PDS-Truppen zusammenhalten, schließlich liegen Welten zwischen der PDS-Bürgermeisterkandidatin in Hohenschönhausen, Bärbel Grygier, die ihren Ostberliner Bezirk trotz der erwarteten Sparzwänge zu einem lebenswerten Kiez machen will, und dem Kreuzberger Direktkandidaten und Freund des kurdischen Volkes, Steffen Zillich.
Bereits im Vorfeld des Wahlkampfauftaktes hatte die PDS hinter den Kulissen heftig um Kandidaten, Wahlkampfschwerpunkte und Slogans gerungen. Mitten in der Wahlkampfplanung wurde im Juli die Werbeagentur gewechselt, und noch Anfang der Woche hatte eine Mehrheit der versammelten Landesvorstandsmitglieder die auserkorene zentrale Wahlkampflosung abgelehnt.
Doch schließlich hat sich die Landesvorsitzende durchgesetzt, und jetzt heißt es auf den Plakaten der PDS: „Weil es um mehr als einen Regierungswechsel geht“.
Doch das Thema Regierungswechsel selbst möchte die PDS im Wahlkampf am liebsten vermeiden. In einem Konstellationswahlkampf Rot-Schwarz gegen Rot- Grün könne die PDS nur verlieren, befürchten die Genossen. „Wir stehen Rot-Grün nicht im Wege“, verkündete Petra Pau auch gestern noch einmal. Die Landesvorsitzende verbat sich jedoch gleichzeitig jede öffentliche Überlegung über Voraussetzungen für die Duldung eines möglichen zukünftigen rot-grünen Senates, so wie sie der Bundesvorsitzende Lothar Bisky in den letzten Tagen angestellt hatte. Christoph Seils
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