Flucht war nicht mit dem CIA koordiniert

Der Schwiegersohn von Saddam Hussein plaudert in der arabischen Presse erstmals öffentlich über Iraks Atomprogramm, den Golfkrieg und die inneren Machtkämpfe in Bagdad  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

„Ich kam um vier Uhr morgens in Jordanien an. Mein Fahrer setzte mich in einem Hotel ab, und als der Vormittag kam, rief ich bei einem jordanischen Offiziellen an und verlangte ein Treffen mit König Hussein, dem ich anschließend alles im Detail erklärte.“ Der prominente irakische Überläufer Hussein Kamil Hassan Al-Madschid äußerte sich zum ersten Mal seit seiner Flucht aus Bagdad öffentlich, und zwar gegenüber der arabischen Tageszeitung Al-Hayat. Kamel leugnet darin Vorwürfe, seine Flucht mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA koordiniert zu haben. Bis heute, so der Schwiegersohn Saddam Husseins, habe es kein Treffen mit den Amerikanern gegeben. Er habe allerdings nach seiner Flucht versucht, mit den USA Kontakt aufzunehmen. „Die USA sind ein großer Staat und haben ihre Besonderheiten in ihren Beziehungen zur arabischen Region“, fügte er vielsagend hinzu.

Es sei Iraks Atomprogramm gewesen, das Saddam Hussein veranlaßt hätte, vor vier Jahren in Kuwait einzumarschieren. „Der Irak konnte damals viele der Methoden anwenden, die für die Spaltung von Uran notwendig waren.“ Das Uran sei aus Rußland und Frankreich geliefert worden, und der Irak sei am Ende fähig gewesen, es selbst zu produzieren, erklärte der ehemalige Vertraute Saddams, der bis zu seiner Flucht für Iraks Waffenprogramme verantwortlich war.

Im Interview blickt Kamil auch auf die Tage des Golfkriegs zurück: „Saddam betrachte es als einen Fehler, daß die irakischen Truppen damals nicht die östliche Provinz Saudi-Arabiens besetzt haben.“ Er habe seine Hand auf das kuwaitische und saudische Öl legen wollen und gehofft, so über die gesamte arabische Welt zu herrschen und zur neuen Weltmacht zu werden. Die scharfe Reaktion gegen den Einmarsch in Kuwait habe Saddam nicht erwartet.

Auch Meldungen der vergangenen Tage, daß der Irak erneut aggressive Absichten gegen seine Nachbarn hege, werden in dem Interview bestätigt. Der Irak habe sich erneut in einen kriegerischen Staat verwandelt, mit der Absicht, ein zweites Mal in Kuwait und diesmal auch in Saudi-Arabien einzumarschieren, erklärte Kamil.

Sodann wirft Saddams Schwiegersohn auch ein wenig Licht auf die Verhältnisse im inneren Machtkreis des irakischen Regimes. Udai, Saddams Sohn, habe bisher erfolglos versucht, seinen Vater zu isolieren. Zwar kontrolliere Udai einige hohe Offizielle und Minister, aber die Zügel halte immer noch Saddam in der Hand. Beobachter gehen davon aus, daß Kamel in den letzten Monaten in einem Machtkampf mit den Söhnen Saddams unterlegen war und sich zur Flucht gezwungen sah.

Die Fernsehrede des jordanischen Königs Hussein, in der dieser vor zwei Tagen Saddam Hussein scharf angegriffen und dem Irak vorgeworfen hatte, erneut Kuwait und Saudi-Arabien angreifen zu wollen, führte in der arabischen Welt zu unterschiedlichen Reaktionen. Das irakische Fernsehen, das die gesamte Rede König Husseins unkommentiert ausgestrahlt hatte, wies die Vorwürfe, der Irak plane Angriffe auf Saudi- Arabien und Kuwait, zurück. Tatsächlich, so der Fernsehkommentar in Bagdad, sei es der Überläufer Hussein Kamil gewesen, der sich bei einem Treffen der irakischen Führung am 10. Oktober vergangenen Jahres für eine Besetzung der Ostprovinzen Saudi-Arabiens und einen Einmarsch in Kuwait ausgesprochen habe. Damals war es im Irak erneut zu größeren Truppenbewegungen gekommen, die die USA veranlaßten, ihre Truppen im Golf zu verstärken.

In Kairo beschrieb unterdessen der ägyptische Präsident Hosni Mubarak Meldungen daß der Irak erneut Angriffe auf seine Nachbarn plane, als absoluten Blödsinn. Irak sei nicht in der Lage, eine derartige militärische Operation zu führen. Ägypten hatte während des Golfkrieges Truppen zur Unterstützung der Anti-Irak-Allianz gestellt.