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Ein grauer Jackenträger hat den Blues

■ Das mühsame DFB-Pokal-2:1 des KSC bei TeBe Berlin gibt Aufschlüsse über die seltsame Stille um dessen Trainer Schäfer

Berlin (taz) – Nach tagelangem Kampf verkündete nun also der Himmel über Charlottenburg den Herbst. Ein paar Wolken hatten sich schon entleert. In so einer Situation geschieht es, daß einem plötzlich seltsam melancholisch ums Herz wird, obwohl eigentlich objektiv der Blues nicht zu begründen ist. Da ist es für das sensible Fußballgemüt gut, wenn man zu einem Klub geht, der einen Präsidenten namens Jack White hat. Kriegt man nämlich Remixe verdienter Tony-Marshälle um die Ohren gescheppert. „Ich fang für euch den Sonnenschein“ etceterbla. Prima. Das muntert auf. „Ich habe außerdem das Glück für euch bestellt“, kündete eine der unvergänglichen Zeilen in der Pause verheißungsvoll.

Allein, die Frage war: Wer ist euch? Am Ende wußte man: Nicht Tennis Borussia Berlin. „Am Ende“, sagte Uwe Jahn, der TeBe- Trainer, „war es für uns schade und unglücklich.“ Schade, daß der Regionalligist in vorletzter Minute das 1:2 einstecken mußte, unglücklich, daß dem Schützen Slaven Bilic bei seinem 20m-Versuch das Arbeitsgerät „links ein bißchen runtergerutscht“ (Jahn) war. Falsch beobachtet, den hatte der Kroate „extra abrutschen lassen“. Diesen Witz machte etwas gequält Winfried Schäfer. Sonst machte er keinen. Der Karlsruher SC bot aber auch eine verwunderliche Vorstellung. Oder auch nicht. Man habe „gesehen, wie unsicher wir waren“, sagte dessen Trainer. Sehr wahr, doch verständlicherweise längst nicht die ganze schreckliche Wahrheit. Der KSC spielte beängstigend diszipliniert. Mit der rühmlichen Ausnahme des großen Häßler verließ kaum einer sein Planquadrat für den Verteidigungsfall. Daß sich der Regionalligazweite selbst reichlich konventionell, kompakt, aber immobil an der Strafraumlinie aufbaute, erwies sich so 89 Minuten als probat, ehe es bei Bilics unbedrängtem Vorstoß durch freies Gebiet doch noch ausgenutzt ward.

„Unser Problem ist“, sagt Schäfer, „daß wir immer irgendwo einen Fehler einbauen.“ Er meinte das 1:1 durch Harun Isa, den Schuster, Reich und Bilic köpfen ließen, obwohl Gutberlets Eckball gerade meterhoch dahergesegelt kam.

Daß der KSC Probleme in der Verteidigung hat, ist nicht neu; insbesondere Reich fiel durch permanentes Gestolpere auf. Daß er sie selbst gegen einen (zugegeben starken) Regionalligasturm wie Roussajew/Isa hat, erstaunt. Zudem ist Kreativität beim KSC immer nur am Ball, solange Häßler am Ball ist. Der Rest – mit Ausnahme des kompetenten Häßler- Burschen Fink – konzentriert sich mühsam auf Fehlervermeidung. Es schmerzt zu erleben, wie ein Sergej Kirjakow sich, kaum eingewechselt, einem längst verlorenen Ball hinterherhechelnd, beim Grätschen selbst verletzt. Es war dies eine beste Szene.

Andererseits darf man vermuten, daß Tennis Borussia kein schlechtes Team hat. Fünf Regionalliga-Spiele, fünf Siege, hinten steht man solide, im Mittelfeld kann man von dem Schöngeist Tim Gutberlet jenen entscheidenden Paß erwarten, den er in der zweiten Hälfte gegen den offensiver werdenden KSC andeutete, aber nicht in der Lage war zu spielen. Und vorn? Hat man den Mazedonier Isa, der gelangweilt herumsteht, als wolle er kein Bällchen haben. Das täuscht. Wenn man es ihm aufdrängte, lief er allerdings Schuster und Reich davon, daß es eine Freude war. Jürgen Sundermann, inzwischen TeBe-Manager, hat „sehr Ermutigendes“ gesehen. Ihn interessiert primär der Aufstieg, die Leute im Mommsenstadion offenbar auch: Den größten Jubel des Nachmittags löste die Kunde vom Punktverlust des Köpenicker Konkurrenten Union aus.

Ungleich kleineren kriegte Winfried Schäfer, als er sich nach beharrlichem Betreiben schließlich zu dem Satz hinreißen ließ: „Wir fangen in Berlin an, und ich hoffe, wir hören in Berlin auf.“ Schäfer hatte sich an diesem trüben Tag zum ersten Mal wieder eine Jacke übergeworfen. Deren Grau und das des Himmels waren identisch. Zu ahnen war: Irgendwie scheint auch den seltsam Schweigsamen der Herbst-Blues gepackt zu haben. Das Unangenehme: Der Mann weiß, warum. Peter Unfried

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