: „Dafür kämpfe ich“
■ Interview mit Tine Wischer, Senatorin für Frauen, Gesundheit, Soziales und Umwelt (und Ausländerintegration)
taz: Hier steht gar kein Aschenbecher. Aber wir haben eine Gesundheitssenatorin, die raucht.
Tine Wischer: Das ist richtig.
Es gab von Ihrer Vorgängerin, die aufgehört hatte zu rauchen, die spektakuläre Initiative eines Nichtraucher-Schutzgesetzes. Ist die im Sande verlaufen?
Die Frage des Nichtraucherschutzes ist keine Frage, die im Sande verlaufen kann ...
.. eine Gesetzesinitiative!
Ich sage das bewußt so. Das ist in der Tat ein wichtiges Thema. Wir müssen Formen finden, die beiden Seiten gerecht werden, der Nichtraucher muß seinen Schutz erhalten, den Rauchern muß aber auch die Möglichkeit gegeben werden, rauchen zu können...
Wie wird man in Diskotheken beiden Seiten gerecht?
In Diskotheken ist das sicher sehr schwierig. Auch beim Sechstagerennen oder anderen Großveranstaltungen. Aber da geht jeder freiwillig hin. Menschen, die den Rauch nicht einatmen wollen, dürfen nicht dazu gezwungen werden.
Junge Menschen müßten auf Diskothekenbesuche verzichten. Das wäre eigentlich auch ein Thema für die Jugend-Abteilung der Sozialsenatorin.
Ob Jugendliche rauchen oder nicht, kann man nicht mit Zwangsmaßnahmen beeinflussen. Alkohol, Drogenmißbrauch sind ja genauso Bereiche, in denen Aufklärung und präventive Maßnahmen im Vordergrund stehen müssen.
Können Sie auf Aufklärung setzen, wenn Sie selber rauchen? Wenn Aufklärung bei Ihnen selbst nicht gefruchtet hat?
Ich bin mir sehr bewußt, welche Gefahren damit verbunden sind, und habe zeitweise darauf verzichtet, um andere – meine Kinder – nicht damit zu belasten. Ich bin insofern mit meiner Sucht sehr genau umgegangen. Ich werde mich für den Nichtraucherschutz einsetzen.
Gibt es nach vier Jahren Umweltsenatorin Tine Wischer eine Baustelle Weserkraftwerk?
Ich gehe davon aus, daß wir dieses nicht ad acta legen. Im November sind die Unterlagen für die Planfestellung fertig, dann muß die Finanzierung geklärt werden. Ich habe immer für dieses Projekt geworben, aus dem laufenden Haushalt wird es die erforderlichen Zuschüsse aber nicht geben.
Ab 1.1.96 hat jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Wird jedes Kind einen Platz haben?
Nein, das werden wir nicht schaffen. Das ist eine der Hauptaufgaben, die vor uns liegen. Wir werden bei 90 Prozent Versorgung liegen, das ist vergleichsweise gut. Zwischen 700 und 1.500 Plätzen fehlen, rein rechnerisch sogar über 2000. Das ist nicht mal eben zu leisten. Der Finanzierungsbedarf liegt bei 18 Millionen investiv und 27 Millionen konsumtiv in den nächsten vier Jahren. Diese Gelder sind in keiner Finanzplanung enthalten. Wir sind dabei, alles an Kreativität zusammenzukratzen, um zu einem Konzept zu kommen.
Was ist das schwierigste Problem im Gesundheitsbereich?
Ohne Frage der Investitionsbedarf. Wir suchen Lösungsmöglichkeiten durch Neubewertung im Bereich der weiteren Krankenhausplanung. Wir wollen eine Rangfolge hinbekommen, bei der St.-Jürgen-Straße soll geklärt werden, ob im OP-Bereich finanzstarke Partner gefunden werden können. Es soll aber keine Privatisierung geben.
Wenn der Europäische Gerichtshof die Gesetze über Frauenförderung kaputtmacht – was dann?
Das müssen wir abwarten. Ich kenne nur die Haltung von einem der der Richter, der offensichtlich der Meinung ist, daß es eine Diskriminierung der Männer gebe. Unsere Europaabgeordnete Karin Jöns ist in Strasburg da sehr engagiert bei dem Thema.
Wenn in den nächsten Jahren tausende von Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen, wird es teuer für die Sozialpolitik.
40.000 Wohnungen fallen aus der Sozialbindung heraus. Wir haben derzeit um die 2.000 Wohnungsnotstandsfälle amtlich gemeldet. Das Ressort zehlt allein für Wohnungssicherung 3 Millionen im Jahr..
... und das werden deutlich mehr.
Wir wollen mit den Wohnungsbaugesellschaften eine freiwillige Verlängerung der Sozialbindung hinbekommen.
Die Wohnungsbaugesellschaften werden verkauft, privatisiert, oder wie die Gewoba auf Aktienbasis an den Markt gegeben. Die werden doch nicht freiwillig auf Mieterhöhungen verzichten.
Für bestimmte Prozentanteile des Wohnungsbestandes muß das kommunale Belegrecht gelten.
Das kostet Geld.
Natürlich, dafür muß die Stadt bezahlen.
Wieviele Stunden muß eine Senatorin mit drei großen Ressorts und zwei kleinen Namens-Zusätzen arbeiten, pro Tag?
Derzeit bin ich um 8 Uhr im Büro und verlasse das Ressort um zehn..
Um 22 Uhr?
Ja, zehn Uhr abends, um dann zu Hause die letzten Akten bis Mitternacht aufzuarbeiten, einschließlich Sonnabend und Sonntag.
Ist das ein erstrebenswerter Job, Senatorin für drei Ressorts zu sein?
Eigentlich ist es ein ganz spannendes Feld, gerade auch bei den Ressorts, bei denen ich micht nicht so auskannte wie im Bereich Umwelt. Was es so schwer für mich macht, ist: die Zeit, um sich intensiv da hineinzubegeben, ist nicht da. Das macht es dann wieder schwer. An sich finde ich alle diese Bereiche attraktiv, weil sie etwas mit Perspektiven und Zukunft zu tun haben. Im Moment renne ich aber mehr von einer Sache zur anderen, das macht mich mit mir unzufrieden.
Während der Koalitionsverhandlungen haben Kritiker gesagt: Zukunftsinvestitionen werden von den Ressorts Wirtschaft und Bau entschieden, auch Finanzen. Das andere sind die Armenhäuser.
Das ist die eine Seite. Die andere Seite: gerade weil die finanziellen Rahmenbedingungen sehr eng sind, kommt es um so mehr darauf an, in dieser Enge Spielräume zu nutzen – im Interesse derer, die sonst hinten runterfallen würden. Dafür kämpfe ich. Fragen: K.W.
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