■ Tour d'Europe
: Eins zu vier in der EU

In den 15 Mitgliedsländern der EU leben 192 Millionen Frauen; sie stellen damit über die Hälfte der Bevölkerung. Aber in den wichtigsten politischen Institutionen sind Frauen im Durchschnitt nur mit einem Viertel vertreten: Den 15 EU-Kommissaren etwa stehen in Brüssel genau fünf Kommissarinnen gegenüber. Selbst das wurde bereits als Erfolg gefeiert, denn in der letzten Kommission verlor sich zwischen 16 Kommissaren eine einzige Frau. Ohne Druck wäre auch dieser schmale Erfolg nicht möglich gewesen. Als Ende letzten Jahres die Neubesetzung der Kommission anstand, die in der EU die Aufgaben einer Zentralregierung wahrnimmt, drohte das Parlament mit einem Eklat, wenn die Mitgliedsländer nicht genügend Frauen ernennen würden. Daß sich die Abgeordneten schließlich mit fünf Kommissarinnen zufriedengaben, mag damit zu tun haben, daß zu diesem Zeitpunkt auch das Europaparlament nur zu einem Viertel mit Frauen besetzt war: 147 Frauen unter 420 Männern. Durch den EU-Beitritt von Schweden, Finnland und Österreich hat sich das Verhältnis ein bißchen, aber nicht wesentlich verbessert. Denn was den Frauenanteil im Europaparlament angeht, gibt es in der EU ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Von den 16 dänischen Abgeordneten beispielsweise sind immerhin sieben Frauen, von den 25 portugiesischen nur zwei. Bei der Neubesetzung der Kommission wäre es übrigens doch noch fast zum Eklat gekommen. Nur hauchdünn schrammte die Kommission an einer Ablehnung durch das Parlament vorbei. Stein des Anstoßes: Kommissionspräsident Jacques Santer hatte ausgerechnet den irischen Kommissar für Soziales, Padraig Flynn, mit der Gleichstellungspolitik beauftragt. Flynn war bisher nicht gerade als Frauenförderer aufgefallen und zeigte sich bei der Anhörung im Parlament unbeleckt von jeglichem Problembewußtsein. Als Santer sich selbst zum obersten Frauenförderer erklärte, lenkte das Parlament ein. Daß sich in den ersten acht Monaten der neuen Kommission dennoch einiges getan hat, liegt an der Energie der neuen Kommissarinnen. Vor allem die frühere ÖTV- Chefin Monika Wulf-Mathies, in Brüssel für Regionalpolitik zuständig, läßt keine Gelegenheit aus, Zeichen zu setzen. 50 Prozent ihres politischen Mitarbeiterstabes sind Frauen. Wo immer sie hinreist, trifft sie sich zuerst mit der örtlichen Frauenorganisation. Beharrlich drängt sie darauf, daß die Gleichstellung der Frauen überall verankert wird, wo die Kommission zuständig ist, vor allem aber in der Strukturpolitik: Wenn Brüssel Zuschüsse für regionale Projekte gewährt, dann soll ein Teil des Geldes in die Frauenförderung gehen. In der Kommission selbst gibt es für den obersten Gleichstellungsbeauftragten Jacques Santer noch viel zu tun: Unterhalb der Kommissare sind fast alle Spitzenposten fest in männlicher Hand. Alois Berger, Brüssel