: „What Women Want“ zwischen Skepsis und Stolz
■ Englands Frauen präsentierten ihre Forderungen im Rahmen eines Festivals
Von den systematischen Vergewaltigungen in Bosnien und Ruanda bis zur Gewalt in den Familien des Westens, von der Diaspora der Flüchtlinge aus der algerischen Sahara bis zum Kampf der Frauen Tibets, vom Aufschrei der Mütter von der Plaza de Mayo in Argentinien bis zur Verzweiflung der Hinterbliebenen chinesischer Politsäuberungen: Wohin auch immer man blickte auf dem Londoner Festival der Frauen am vergangenen Wochenende am Südufer der Themse – am Vorabend der Pekinger Konferenz offenbarte sich die reale Situation jener Hälfte der Menschheit, die noch immer zwischen einigen Fortschritten in ihrer Anerkennung als gleichberechtigte Menschen und enormen Rückschritten schwebt.
Dabei sollte der Name des Festivals, „What Women Want“, eigentlich ein gutes Stück Stolz sichtbar werden lassen. Zeigen wollte man vor allem die Erfolge der Emanzipation, die Errungenschaften feministischer Bewegungen, die „Geburt weiblichen Selbstbewußtseins“, mit Konferenzen, Debatten, Therapieangeboten, Konzerten und allerlei anderen Ereignissen. Doch immer wieder stülpten sich die Berichte von Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international oder Oxfam über die Debatten, stachelten an zur immer wieder erhobenen Forderung, die Konferenz von Peking nicht als Papiertiger enden zu lassen, sondern ihr konkrete Aktionen folgen zu lassen.
„What Women Want“ bezog seine Inspiration dabei weniger aus dem klassischen militanten Feminismus, eher aus einer „globalen weiblichen Wahrnehmung der Welt und ihrer verschiedensten Aspekten“. Das Netz „Frauen und Umwelt“ zum Beispiel stellte Lösungen für ökologische Probleme vor und bot recycelbare Produkte an – Handtaschen, Handtücher, Schreibgerät, Hemden und sogar Binden und Babywindeln. Dazu einen Führer zum „bewußten Einkauf“ und Ratschläge, wie man auch zu Hause Schäden an „unserem gemarterten Planeten“ vermeiden könne. Die Gruppe Intermediate Technology belegte mit zahlreichen Beispielen die Mangelhaftigkeit der modernen Technologie und Wissenschaft im Hinblick auf die Bedürfnisse der Frauen und meldete Forderungen für Veränderungen der Programme an. Natürlich durfte da auch der famose „Body Shop“ nicht fehlen, der beim Festival nicht nur ökologisch verträgliche Kleider und Unterwäsche anbot, sondern in der Person seiner „Erfinderin“ Anita Roddick sozusagen auch noch den leibhaftigen Beweis erbrachte, daß eine Frau auch mit zunächst als ausgefallen angesehenen Ideen reüssieren kann.
„What Women Want“ erweckte am Ende trotz der immer wieder aufgezeigten miserablen Behandlung von Frauen den Eindruck, daß der alte wildentschlossene Feminismus immer mehr Raum läßt für eine eher ruhigere, zufriedenere Betrachtung der Dinge. Zufrieden, weil Frauen heute immerhin eine Stimme haben, die gehört wird. Und zufrieden auch, weil man immerhin einige Früchte des bisherigen Kampfes genießen zu können glaubt.
Dazu hat natürlich auch beigetragen, daß sich viele Frauen, die bereits Karriere gemacht haben, für Festivals dieser Art zur Verfügung stellen: Anita Roddick referierte über die Diskriminierung der Frauen am Arbeitsplatz; die Mitorganisatorin des Festivals, Lynner Franks, ist in England wegen ihrer brillanten Karriere als Public-Relations-Managerin und der Gründung eines reinen Frauen-Radios eine Berühmtheit.
Feministinnen alter Schule werfen „What Women Want“ freilich vor, den ursprünglichen politischen Aspekt der Frauenbewegung aufgegeben und einen konsumistischen Aspekt in den Vordergrund geschoben zu haben. Schließlich stelle Karriere und das Tragen ökologischer Kleidung noch keineswegs das Erringen jener Hälfte der Welt dar, der den Frauen eigentlich zusteht. Ein Streitpunkt, der zweifellos am Ende auch die Auseinandersetzungen in Peking zentral mitbestimmen wird und der vom Festival an der Themse bereits hervorragend thematisiert wurde. Maurizia Garzia, London
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