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■ Wird die amerikanische Politik jetzt konsistenter?Sarajevo und die USA

Wieder wurden Granaten auf den Marktplatz von Sarajevo geschossen, wieder gab es dreißig Tote oder mehr, wieder bleibt der Bevölkerung nur Ohnmacht und Trauer, wieder scheinen die UNO und andere Institutionen der Welt ratlos zu sein. Nach dem ersten Erschrecken, so ist zu befürchten, wird zur Tagesordnung zurückgekehrt – wie schon so viele Male.

Oder ist dies diesmal doch nicht so? Höchstwahrscheinlich sind die Granaten die direkte Antwort der serbischen Seite auf die Drohung des amerikanischen Unterhändlers Halbrooke, bei einer weiteren Blockierung des Friedensprozesses Nato-Luftangriffe gegen serbische Artilleriestellungen in Bosnien zu fliegen. Die prompte Antwort der Serben kann die westliche Führungsmacht eigentlich nicht hinnehmen. Zwar hat die Diplomatie der USA seit Anfang 1994 eine immer größere und positive Rolle für Kroatien und Bosnien-Herzegowina gespielt. Die alten Fehler der Bush-Administration von 1991, die damals noch in einem jugoslawischen Gesamtstaat ein „stabilisierendes Element“ auf dem Balkan gesehen und der serbisch-jugoslawischen Armee grünes Licht für ihren Angriff auf Kroatien gegeben hatte, wurden durch Clinton Schritt für Schritt revidiert. Mit dem Washingtoner Abkommen vom März 1994 wurde der Krieg im Kriege zwischen Kroaten und Bosniaken auf Betreiben vor allem der USA beendet. Der verhängnisvolle Einfluß der UNO-Politik auf das Geschehen in Bosnien und Kroatien wurde durch diplomatische und militärische Initiativen der USA abgedämpft – man denke nur an die von der UNO später wieder verwässerte Sicherheitszone um Sarajevo. Und erst durch die Unterstützung der USA wurden die kroatischen und bosnischen Militärs in die Lage versetzt, seit Herbst 1994 zur Gegenoffensive anzutreten.

Aber: Bei dem Massenmord in Srebrenica und Žepa haben die USA stillgehalten. Und der von den USA initiierte Kuhhandel um Goražde – Gebietsaustausch plus Umsiedlungen – verletzt das Völkerrecht. Mit der vorgesehenen Zweiteilung Bosniens werden Kategorien der Politik der nationalistischen Extremisten (auch in Kroatien und Bosnien) übernommen, statt sie zurückzuweisen. Es fehlt an Konsistenz in Planung und praktischer Politik. Dabei wird verdrängt, daß erst, wenn die serbischen Aggressoren militärisch geschlagen sind, echte Friedensverhandlungen möglich werden. Die Granaten von Sarajevo mahnen erneut, dem verwirrenden Hin- und Herlavieren ein Ende zu machen – und das bitte sehr bald. Erich Rathfelder

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