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Claire Marienfeld im Schußfeld der Verweigerer

■ Trittin verteidigt „Pißpottschwenker“ gegen die Vorwürfe der Wehrbeauftragten

Bonn (AFP) – Der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Dieter Hackler, hat den Vorwürfen der Wehrbeauftragten Claire Marienfeld (CDU) heftig widersprochen. Die hatte am Sonntag öffentlich erklärt, bei Wehrdienstverweigerern handle es sich um eine „Generation von Egoisten“. Trotz 85.000 Kriegsdienstverweigerern im ersten Halbjahr sehe er keine Trendwende, fügte Hackler hinzu. In den ersten sechs Monaten seien etwa 42.000 Wehrpflichtige mehr gemustert wurden als im Vorjahreszeitraum. Seit dem 1. Januar gelte zudem der neue Tauglichkeitsgrad „T7“, durch den knapp 10.000 junge Männer mehr tauglich gemustert worden seien.

Der Vorstandssprecher der Bündnisgrünen, Jürgen Trittin, betonte, Verweigerer seien „keine Drückeberger“. Der Vorsitzende der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende, Jan Niemöller, vertrat die Ansicht, Marienfeld habe sich mit ihren Äußerungen „selbst disqualifiziert“. Am besten wäre wohl, „sie ginge“. Marienfeld mangele es offenkundig am Verständnis für junge Menschen, die ihr Grundrecht wahrnähmen. Die Generation der 50jährigen, zu der Marienfeld gehöre, trage die Hauptverantwortung für den Egoismus in der Gesellschaft. Im übrigen erinnere diese Art Jugendbeschimpfung an zurückliegende Zeiten angeblich „vaterlandsloser Gesellen“ und „Drückeberger“.

Trittin erklärte, daß mehr als 85.000 junge Männer den Kriegsdienst verweigert hätten, sei „erfreulich, weil dies eine Entscheidung für soziales Engagement und gegen eine auf Militär gestützte Politik“ sei. Zudem sei es „nicht verwunderlich“, weil die deutsche Außenpolitik „beharrlich darauf setzt, deutsche Soldaten weltweit einzusetzen“. Wenn Christdemokraten wie Marienfeld Zivildienstleistende als „Egoisten“ beschimpften, sei das „Ausdruck einer kruden Doppelmoral nach dem Motto: Kruzifix an die Wand und Gewehr in die Hand“.

Er sei stolz darauf, in einer Partei zu sein, in der „die von der CDU/CSU als Pißpottschwenker Diffamierten deutlich in der Mehrzahl sind“. Unionspolitiker hatten am Wochenende verlangt, das Anerkennungsverfahren für Wehrdienstverweigerer wieder zu verschärfen. Der FDP-Bundesvorstand lehnte derartige Forderungen gestern ab. Der Abgeordnete Matthias Berninger von den Grünen forderte eine Entschuldigung Marienfelds bei den Zivildienstleistenden. „Zivildienst ist unverändert der unbequemere Weg.“

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