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Anschlag setzt Clinton unter wachsenden Erfolgsdruck

■ Der Angriff auf Sarajevo torpediert Bemühungen der USA um eine Friedensver- einbarung: Bosniens Regierungsarmee will serbisch besetzte Gebiete zurückerobern

Der jüngste Granatenangriff auf Sarajevo dürfte die bislang ergebnislosen Bemühungen der US- Diplomatie um eine Friedensvereinbarung zusätzlich erschweren. Nach einer einwöchigen Unterbrechung wegen des Unfalltods von drei US-Diplomaten am vorletzten Samstag hatte der stellvertretende US-Außenminister Richard Holbrooke gestern seine Vermittlungsgespräche wieder aufgenommen. Nach einer Begegnung mit Bosniens Präsident Alija Izetbegović trifft Holbrooke heute in Paris mit Vertretern der anderen vier Mitgliedsstaaten der Bosnien- Kontaktgruppe zusammen.

Holbrookes Treffen mit Izetbegović könnte zunächst die letzte Begegnung mit einem Vertreter der bosnischen Regierung gewesen sein. Deren Premierminister Silajdžić forderte die Nato zum Eingreifen auf, die bosnische Regierung werde „den Friedensprozeß vorläufig unterbrechen, bis geklärt ist, ob Sarajevo eine Schutzzone ist oder ein Killergebiet“. Vor seinem Abflug nach Europa hatte Holbrooke am Sonntag versucht, Bewegung in den „Friedensprozeß“ zu bringen. Er bezeichnete die Karadžić-Serben als „Haupthindernis“ für eine Friedensvereinbarung und drohte ihnen mit dem Einsatz von Nato- Luftstreitkräften, falls sie die Bosnien-Karte der Kontaktgruppe nicht in den nächsten zwei Wochen akzeptierten. Nach dieser Karte soll das bosnische Territorium im Verhältnis 51 zu 49 zwischen der muslimisch-kroatischen Föderation und den Serben aufgeteilt werden. Serbenführer Karadžić hatte Ende letzter Woche den Anspruch auf 64 Prozent bekräftigt. Holbrooke erklärte, entweder komme es zu ausgedehnten Luftangriffen auf serbische Bodenziele oder aber zu einem Einsatz der Nato zur Sicherung eines Abzugs der Unprofor-Truppen. Für letzteren Fall sehen die entsprechenden Nato- Pläne die Ausschaltung von Luftabwehrraketenbasen der Karadžić-Serben vor. – Die vor zwei Wochen von der Clinton-Regierung gestartete diplomatische Initiative steht unter wachsendem Erfolgsdruck. Clinton will verhindern, daß der US- Kongreß nach seiner Rückkehr aus der Sommerpause in zwei Wochen das Präsidentenveto gegen die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit überstimmt. Außerdem ist ab spätestens Mitte September mit einer Entscheidung der Briten und Franzosen über den Abzug ihrer Unprofor-Soldaten zu rechnen, falls der politische Prozeß bis dahin keine Fortschritte erbracht hat.

Nicht nur bei den bosnischen Serben, die sich seit gestern in ihrem „Parlament“ mit den US-Vorschlägen befassen, sind die bisherigen Bemühungen Holbrookes und seiner Unterhändler nach Angaben aus Diplomatenkreisen ergebnislos geblieben. Serbiens Präsident Milošević verweigert weiterhin die Anerkennung sowohl Bosniens als auch Kroatiens. Die bosnische Regierung hat die US-Vorschläge bislang sehr skeptisch beurteilt.

Der Oberbefehlshaber der Regierungsarmee, Rasim Delić, lehnte die Vorschläge gestern mit den Worten ab, sie seien „widersprüchlich“ und „ohne Kopf und Schwanz“. Delić forderte die Armee auf, weiterzukämpfen und serbisch besetzte Gebiete zurückzuerobern. Andreas Zumach, Genf

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