Becker ohne Bollettieri

■ Bei den US Open überstand Boris Becker die erste Runde und blickt trainerlos, aber zuversichtlich in die Zukunft

New York (dpa/taz) – „Das war schon 100 Prozent besser als letztes Jahr“, beschrieb Boris Becker sehr zutreffend seinen Erstrunden- Auftritt bei den US Open in Flushing Meadow. 1994 war er, mit großen Ambitionen angetreten, gleich zum Auftakt gegen Richey Reneberg (USA) ausgeschieden, diesmal erreichte er mit einem mühelosen 6:1, 6:0, 6:3-Sieg gegen den völlig überforderten Spanier Alex Lopez-Moron die zweite Runde. Gelassen kann der Weltranglisten- Vierte der nächsten Runde entgegenblicken, wo ihn im Duell gegen den Weltranglisten-118. Carsten Arriens (München) erneut eine lösbare Aufgabe erwartet. Arriens, der in diesem Jahr vor allem durch Schläger-Weitwürfe aufgefallen und darob bei den French Open disqualifiziert worden war, besiegte den Slowaken Karol Kucera mit 6:4, 7:6 (3), 6:2.

Viel mehr Wirbel als sein Match verursacht immer noch Beckers Trennung von seinem Coach Nick Bollettieri, über die beide Beteiligten abweichende Versionen verbreiten. „Es ist einfach ein Faktum, daß Nick nicht mehr der Jüngste ist und nicht mehr soviel reisen kann. Gerade in der Vorbereitung zu einem Grand Slam sollte der Coach jedoch bei jedem Turnier dabei sein“, sagte Becker. Da Bollettieri sich mehr um seine Tennis Academy in Florida kümmern wollte, habe er, Becker, die Trennung herbeigeführt.

Bollettieri hingegen erklärte, daß Beckers Gewohnheiten die weitere Zusammenarbeit unmöglich gemacht hätten. Um Becker wieder zur Nummer eins zu machen, hätte er ihn „bekämpfen“ müssen. Gar nicht gefallen hatte es dem Coach beispielsweise, daß Becker in Wimbledon mit seinem Abschneiden überaus zufrieden gewesen sei, obwohl er das Finale gegen Pete Sampras verloren hatte. Mit einem solchen Mangel an Siegeswillen könne ein Tennisspieler nie die Nummer eins werden. „Becker könnte nur auf den Thron zurückkehren, wenn er sein Leben brutal und ernsthaft ändert“, sagte Bollettieri. Eine Konfrontation habe er deswegen aber nicht austragen wollen.

Becker war um eine neue Auslegung der fast zweijährigen Zusammenarbeit nicht verlegen. Noch in Wimbledon hatte er dem US-Coach den größten Anteil an seinem Erfolg zugeschrieben. Auch in New York betonte er, daß Bollettieri aus ihm wieder einen Spitzenspieler gemacht hat. „Ich schätze ihn nach wie vor und spreche quasi noch jeden Tag mit ihm.“ Aber er schränkte ein: „Es ist ein Trugschluß, zu glauben, daß Nick alles alleine macht.“ Sein Erfolg erkläre sich vielmehr auch dadurch, daß er gute Trainer in seiner Academy beschäftige.

Mit diesen Worten wollte der Weltranglisten-Vierte seinem mittlerweile einzigen Betreuer Mike DePalmer ein angemessenes Entree verschaffen. Der 36jährige DePalmer gehört als Bollettieri- Angestellter schon seit fast einem Jahr zu Beckers ständigen Begleitern und hat gute Chancen, dies auch künftig zu bleiben. „Das wird nach den US Open offiziell geklärt“, sagte Becker, „aber es läutet noch keine Alarmglocke, weil ich dringend wieder einen neuen Coach brauche.“