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Angsträume aufsuchen

■ CDU-Stadtrat als Speerspitze des Feminismus: Rundgang zu Orten potentieller Gewalt gegen Frauen in Zehlendorf

Ausgerechnet ein CDU-Baustadtrat setzte sich an die Spitze der feministischen Bewegung. Und auch noch mit freundlich-aufgeschlossenem Lächeln. So geschehen gestern in Zehlendorf. Es war zwar keine Frauendemonstration, die Klaus Eichstädt anführte, sondern nur ein Rundgang, aber immerhin. Die Idee, jene Orte zu besichtigen, in denen sich Frauen im Dunkel der kürzer werdenden Tage bedroht fühlen, stammte indes nicht von ihm, sondern von der mitmarschierenden Bezirksfrauenbeauftragten Jutta Arlt. Mit weiteren Rundgängen zu wechselnden Tageszeiten und einem Fragebogen, der in einer Auflage von 40.000 an die Zehlendorfer Haushalte verteilt wurde, will sie ergründen, wo solche Angsträume sind und wie sie beseitigt werden können. Damit führt die Frauenbeauftragte zwei erfolgreiche Ideen aus zwei anderen Bezirken zusammen. In Charlottenburg ließ sich die SPD-Bezirksbürgermeisterin im Rahmen eines Verkehrsprojektes in mehreren Spaziergängen von Anwohnerinnen zeigen, wo sie sich unwohl oder unsicher fühlen. Und in Steglitz verteilte die dortige Frauenbeauftragte Fragebögen, die als Muster für die jetzige Befragung dienten. Die Zehlendorfer Frauenbeauftragte ließ sie erweitern, präzisieren und auch an männliche Senioren verteilen. „Sind Sie bereits bedroht, verfolgt oder tätlich angegriffen worden?“, „An welchen Orten ängstigen Sie sich?“, „Würden Sie die ,Anmache‘ auf der Straße als Gewalt bezeichnen?“ fragt sie unter anderem. Die Antworten sollen ab 16. Oktober in ihrem Amt ausgewertet werden.

Erste Rückläufe lassen darauf schließen, daß vor allem die Räume rund um die S-Bahnhöfe angstbesetzt sind. Also tappelte die Gruppe – darunter mehr ReporterInnen als betroffene Frauen – zu den S-Bahnhöfen Zehlendorf und Sundgauer Straße und sinnierte über mögliche Abhilfe. Die Hauptprobleme: dunkle, ruhige Nebenstraßen, schlechtbeleuchtete Treppen, unbelebte Durchgänge. Der rührige Baustadtrat und sein mitmarschierender Amtsleiter versprachen Abhilfe, wo immer es möglich sei: Verlegung von Bushaltestellen, Beschneidung von Büschen, Aufstellung von Telefonzellen mit Notruf oder von Straßenlaternen. Eins wußte die Frauenbeauftragte allerdings: „Mit Licht allein kann man das Problem nicht lösen.“ Ute Scheub

Der nächste Rundgang findet am Donnerstag, dem 14. 9., statt. Treffpunkt in der aufkommenden Dunkelheit um 19 Uhr vor dem S-Bahnhof Wannsee am Taxistand. Bestellung von Fragebögen und weitere Anregungen: Tel. 807-2445.

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