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Zur Fahrradmesse besser motorisiert

■ Der Bundesverkehrsminister erntet begeisterten Beifall bei der Eröffnung der Fahrradmesse "Eurobike" in Friedrichshafen: Er bringt eine neue Umgehungsstraße / Interessant war, was er nicht sagte

Fünf bis sechs Millionen Fahrräder wollen die Hersteller den deutschen Radfahrern im nächsten Jahr verkaufen. Die Messe „Eurobike“ hat die Aufgabe, dies zunächst einmal den Händlern schmackhaft zu machen.

Fünf Tage lang tummeln sich in Friedrichshafen am Bodensee Fahrradhändler aus der ganzen Republik, und wo soviel Geld umgesetzt wird, muß der feierliche Auftakt mit Prominenz geschmückt werden: Verkehrsminister Matthias Wissmann eröffnete die Messe, die am 2. und 3. September auch Endverbraucher besuchen können.

Als guter Onkel brachte Wissmann den Radfahrern ein Kästlein Informationen darüber mit, welche Änderungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) im Interesse des Radverkehrs beabsichtigt sind: Fahrradstraßen, kombinierte Bus- und Fahrradspuren, Schutzstreifen auf der Fahrbahn und die Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung.

Nichts davon ist neu, alle Möglichkeiten sind seit mehreren Jahren erprobt und wissenschaftlich begleitet worden. Was noch fehlte, war der Übergang von der Ausnahmeregelung zum offiziellen Mittel der Verkehrsplanung. Interessant war daher, was alles nicht im Redetext stand: Kein Wort über die Aufhebung der Pflicht, Radwege zu benutzen, kein Wort zu Entfernungspauschalen für den Weg zur Arbeit.

Dies sei Finanzpolitik, redete sich der Minister auf die Frage heraus, ob es bei 8 Pfennig Steuerentlastung pro Kilometer für Fahrradfahrer gegenüber 70 Pfennigen für Autofahrer bleiben solle.

Autoverkehr wird vorerst weiter subventioniert

Ob solche Subventionierung des Autoverkehrs auf dem Weg zur Arbeit eventuell doch ein wenig in die Zuständigkeit des Verkehrsministers fallen könne, wußte Wissmann nicht recht zu beantworten. Er gehe davon aus, versicherte er, daß die Entfernungspauschale noch in diesem Jahrzehnt auf der Tagesordnung stehen werde.

Ausgabenneutral, so besagen es von SPD und FDP inzwischen eifrig zitierte Berechnungen des Bundesfinanzministeriums, wäre eine Pauschale von 60 Pfennig pro Kilometer zum Arbeitsplatz für alle Verkehrsteilnehmer. Dies hat Wissmanns Position, eine Entscheidung hierzu sei eine rein finanzpolitische Frage, offensichtlich nicht zu ändern vermocht.

Für weit entschlosseneres Vorgehen erntete der Minister den begeisterten Beifall der Friedrichshafener Honoratioren: Der Bürgermeister konnte stolz verkünden, daß die Mittel für den weiteren Ausbau der Umgehungsstraße für Friedrichshafen genehmigt worden seien. Man wird also künftig noch schneller mit dem Auto zur Fahrradmesse fahren können.

Bahn-Software kann nicht 1+1 zusammenzählen

Nichts ändern wird sich hingegen daran, daß die Bahn keine Alternative auf dem Weg zu Fahrradgroßveranstaltungen ist. Eine Woche vor Messebeginn war auf den meisten Fernverbindungen nach Friedrichshafen die Fahrradtransportkapazität komplett ausgebucht, Sonderzüge gab es nicht. „Auf bekannten Urlaubsrouten setzen wir inzwischen zusätzliche Waggons ein“, erklärte hierzu Martin Katz, Pressesprecher der Deutschen Bahn. „Um punktuellen Anforderungen gewachsen zu sein, benötigen wir aber die Anforderung durch den Veranstalter.“

Bedarf kann die Deutsche Bahn nicht errechnen, denn die Software ist nicht in der Lage, die Zahl abgewiesener Reservierungswünsche von Radfahrern zu erfassen und auszuwerten. Auch bei vollständiger Überbuchung Wochen vor einem Termin bemerken die Bahner den Engpaß nicht.

Da sich die Messegesellschaft Friedrichshafen ebenfalls nicht gerührt hat und die verstreute Unterbringung in den Dörfern rund um Friedrichshafen entweder das Individualverkehrsmittel Auto oder das Individualverkehrsmittel Fahrrad erfordert, bleibt den Fahrradhändlern nur, auch künftig zum Bau neuer Umgehungsstraßen eifrig Beifall zu klatschen. Hans-Joachim Zierke

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