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Fesseln, entfesseln

■ Petra Massey, Magierin und Menschenspielerin, zu Gast beim Straßenzirkustreffen in Bremen

Wenn Daddy Ingenieur ist, ein sachlich denkender Mensch, aber Opa Opernsänger und Oma Schauspielerin, was wird dann aus dem Töchterchen? Etwa Gehirnchirurgin, was Daddy will, weil er als Künstlerkind 15 mal die Schule wechseln mußte? Nix da: das Töchterchen wird Straßenkünstlerin. Geht in die Fußgängerzonen dieser Welt und verzaubert die Leut'. Ja die Kunst: überspringt eine Generation.

Petra Massey ist das Töchterchen. Wer am Wochenende in die Stadt geht und La Strada, das Internationale Bremer Straßenzirkustreffen sucht, kann Petra Massey finden, wie sie allein wie ein Stern den Menschen die Seelen öffnet. Ihr Soloprogramm kostet eilige Passanten ein halbes Stündchen. Große Männer unter den Zuschauern müssen mit allem rechnen: Sie werden vom Töchterchen (nett und nervig, naiv und weise) vorgeführt. Doch auch die Rache der großen Männer (=Väter) bekommt eine Chance: Man darf Petra Massey in einen Sack stecken und Unfug mit ihr machen. Aber Achtung: Töchterchen ist auch eine Entfesslungskünstlerin.

Töchterchen und Vatermann, Fesseln und Befreiung, da gibt's viel zu lachen, und ernst ist das auch. Die Leute werden da berührt, wo sie was spüren, dann entsteht energy. Die Show hat ein Skelett, das ist das nette nervige Mädchen, der Rest ist Improvisation. Im Straßentheater, wo die Menschen freiwillig stehenbleiben oder nicht, ein heikles Geschäft. Doch Petra Massey kann fesseln. Im Programm steht, Massey sei ein Naturereignis. Wir haben's ein bißchen kleiner: Sie hat die magic power über das Publikum. Die Magie geht bisweilen so weit, daß in dem Moment, wo sie den Faden verliert oder die energy versickert, eine Taube herbeitippelt oder eine Turmuhr schlägt. Das sind dann magic Gänsehautmomente.

Petra Massey ist 29 und seit fünf Jahren unterwegs. Schauspielerin: das war schon immer klar. Ihr Nest hieß Paglesham, doch selbst im kleinsten Essex-Dorf kann man Christmas-Shows und kleine Sketche organisieren. Später gab es einen Theaterclub im Nachbarstädtchen, dann eine Hochschule in London, wo man Performance studierte. Mit zwei Freundinnen und einer eigenen kleinen Show (der Abschlußarbeit) ging's zum Tor hinaus und in die weite Welt hinein. Paris. New York. Mexico. Guatemala. Canada. Australien. Mal als Touristin, mal als Straßenkünstlerin. Meist allein. „Der harte Weg“ sagt Petra Massey heute, „der, auf dem man sehr viel und sehr schnell lernt.“

Und dann legt sie Wert auf die Feststellung, daß sie keine Feministin ist. Und daß sie eine Frau ist. Und daß die Straße nicht der Platz der Frauen ist. Daß sich der Kampf aber lohnt. „Man entdeckt seine Fähigkeit, attraktiv zu sein.“ Sonst laufen die Leute weg. Doch, es geht auch um Macht. Mit hundert Leuten spielen können, das ist eine großartige Erfahrung. Heute hat sie vor solchen Erfahrungen weniger Angst.

„Eine halbe Stunde Party. Alles kann passieren.“ Verspricht sie den Leuten. Sie kann alles mögliche aus dem Koffer ziehen. Eine Barby-Puppe. Eine Hunde-Maske. Wichtiger aber sind ihre Augen. Die sind meistens blau, mit einem Schuß Grau. Die können, wenn's drauf ankommt, immer größer werden, bis man sich Sorgen macht. Auf der Straße kommt's drauf an.

Zuletzt war Petra Massey in Moers, bei internationalen Comedy Festival; nächste Woche geht's nach Berlin, dann nach Frankreich. Dort möchte sie ein neue Show entwickeln, noch magischer. Und noch näher am Pathos, für das alle Zuschauer empfänglich sind. Alle. BuS

Petra Massey kann man am Samstag zwischen 14 und 17 Uhr auf dem Marktplatz und am Sonntag zwischen 15 und 18 Uhr auf dem Hillmannplatz („Weinfest“) entdecken. Das La-Strada-Festival ansonsten Sa. 10-13 Uhr Kajenmarkt und 20 Uhr Gala im Zirkuszelt beim GZ Obervieland/Kattenturm Mitte. Mit dabei: Macadam Clowns Comp. (D), Le La Les (GB), Dino Lampa (I), Lee Hayes (USA/NL), Fred & Fred Star (NL), Hoopal (GB), Compgnie Louise Rafale (F), sowie das Exhausted Groove Orchestra, Grue Blanche, Tante Luise und Timothy oder Get a Grip, Friedrich der Zauberer.

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