Stahmers Parole: Keine Parolen!

■ SPD-Spitzenkandidatin bleibt bei ihrem Kurs und kündigt als „Perspektiven für Berlin“ einen „neuen Politikstil“ an

Ingrid Stahmer will keinen Wahlkampf mit Parolen. Es müsse endlich Schluß damit sein, daß sich Politiker „tagelang um Nebensächlichkeiten kümmern“ und darüber die „tatsächlichen Probleme“ vergessen. Auch das „persönliche deftige Dreinschlagen“ müsse endlich aufhören, forderte die SPD- Spitzenkandidatin. Ihr Ziel: ein „neuer anspruchsvollerer Politikstil“, verkündete sie gestern als „Perspektiven für Berlin“.

Trotz des Vorwurfs von vielen Seiten, sie mache einen zu sachbezogenen und damit drögen Wahlkampf, hielt Stahmer auch gestern dieser Taktik die Treue. Doch Neues hatte die SPD-Spitzenkandidatin nicht zu bieten. Sie wolle sich um „große Themen der Gesellschaft“ kümmern, die „brachliegen“. Doch wie ihre „bessere Politik“ der „inhaltlichen Auseinandersetzung“ aussehen soll, verriet sie nicht. Statt dessen sprach sie bei der Reform der Finanzpolitik von „Budgetierung mit Deckelung“, forderte gleiche Rechte für Männer und Frauen und ein „vernünftiges“ Verkehrssystem, daß man aus dem Medienstandort Berlin „etwas machen“ müsse und daß Stadtentwicklung nur „zusammen mit den Menschen“ machbar sei.

Nach ihren Koalitionsgedanken befragt, zog sich Stahmer aus der Affäre: „Mir liegt mehr daran, Bestes für die Stadt zu tun, statt Farbenlehre zu verkünden.“ Eine Fortsetzung der Großen Koalition kann sie sich aber vorstellen. Ein Wechsel finde auch dann statt, so Stahmer, wenn die SPD stärkste Partei werde.

Ihre „neue Politikform“ will Stahmer mit „anspruchsvoll angelegten Diskussionsabenden“ unter dem Motto „Stadt im Dialog“ demonstrieren. „Erfahrungslernen für künftige Flexibilität“, wie sie es nennt. Zwei Veranstaltungen fanden bereits statt. Bis vier Tage vor der Abgeordnetenhauswahl folgen fünf weitere Diskussionen zu den „großen Themen“.

Stahmer räumte ein, daß es oftmals schwierig sei, die Unterschiede zwischen CDU und SPD herauszustellen. Denn das gehe nur mit Parolen. Und die meidet Stahmer wie der Teufel das Weihwasser: „Ich weigere mich“, sagte sie, „die klar ersichtlichen Unterschiede in kapitalistische und sozialistische Parolen zu kleiden.“ Die Unterschiede müsse man einfach „sehen“. Wer das will, muß die „Stadt im Dialog“ besuchen – auch wenn sich Stahmer keine „Massenveranstaltungen“ wünscht. Barbara Bollwahn