Press-Schlag
: Sensen und Schwalben

■ Ein Fremdwort namens Fairneß

Sportliche Fairneß ist eine hochkomplizierte Angelegenheit. Manchem Fußballer ist der Begriff völlig unbekannt, andere halten ihn für ein sehr dehnbares Wortgebilde, die meisten verstehen ihn schlicht falsch. Zur ersten Gattung gehören zweifelsfrei die Borussen aus Mönchengladbach. Als deren Akteur Frontzeck den Dortmunder Tretschok per Ellenbogencheck mutwillig niederstreckte und die Dortmunder den Ball ins Aus spielten, um eine Behandlung zu ermöglichen, verwendeten die Gladbacher den folgenden Einwurf kaltschnäuzig dazu, ihren nächsten Angriff einzuleiten. Eine Handlungsweise, die selbst in Fußballerkreisen als äußerst unfein gilt.

Eine beliebte Variante der Fairneßauslegung ist diejenige, die den Opfern die Schuld zuschreibt. „Völler ist so schnell, den kann man gar nicht anders bremsen“, hieß es 1985 bei den Bayern, als Libero Augenthaler den Bremer mittels „Männersporthärte“ (Udo Lattek) für einen halbes Jahr in den Krankenstand beförderte. Heute ist Völler nicht mehr so schnell, dafür aber sein Leverkusener Kollege Paulo Sergio. Der werde seine Tänze in der Bundesliga nicht lange gesund aufführen können, prophezeite schon des Brasilianers erster hiesiger Gegenspieler Wolter (Bremen). Tatsächlich wird kaum jemand so oft so übel gefoult wie Sergio. Grund genug für St. Paulis Trainer Uli Maslo, den Stürmer in übelster Manier als Schwalbenkönig und Betrüger zu beschimpfen, während sein des Feldes verwiesener Spieler Hanke, der 28 Minuten lang nach allem trat, was brasilianisch aussah und sich bewegte, das Unschuldslamm spielte.

Als Maslos Bruder im Geiste erwies sich Stefan Effenberg, in seinem fußballerischen Tun bekanntlich durch keine überflüssigen Gehirnzellen gehemmt. Der Gladbacher versuchte, den seit der Schwalbenaffäre ruinierten Ruf Andy Möllers auszunutzen, erreichte allerdings genau das Gegenteil. Rüde schubsend fiel er nach einem klaren, nicht geahndeten Strafraumfoul an Möller über den Dortmunder her und zieh ihn der Schauspielerei, prompt pfiff Schiedsrichter Scheuerer nach der nächsten Attacke Elfmeter.

Höhepunkt des Wochenendes war die vorzeitige Verleihung des Fairneßpreises an den Uerdinger Rahner, der seine Gegner selten ohne eine umfangreiche Sammlung blauer Flecken davonkommen läßt. Rahner hatte nicht etwa fair gespielt, sondern bloß versucht, den Bremer Hobsch, der ihn ballfern umgesäbelt hatte, vor der roten Karte zu bewahren.

Aber was soll man schon erwarten. Bereits vor Jahren hatte eine Untersuchung ergeben, daß für jugendliche Fußballer Fairneß nicht etwa bedeutet, keine Fouls zu begehen, sondern sich anschließend brav zu entschuldigen. Matti