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Die Bärbel mit dem Airport-Faktor

■ Weil man sich ja nicht oft genug aussprechen kann, schaltet RTL vor "Meiser" und "Christen" noch eine dritte Talk-Show

Lars-Uwe Höltich hatte zwar vergessen, das Preisschild von seinen Schuhsohlen zu pulen, dafür aber hatte er bei der Pressekonferenz auf jede Frage eine Antwort. „Bärbel Schäfer ist eine Frau mit Airport-Faktor“, weiß der Bereichsleiter Daytime/Late-Night bei RTL – eine Person also, die das gemeine Volk sich auf dem Flughafen ohne Hemmungen anzusprechen getraue. Und deshalb wird die 30jährige Bremerin ab heute vor Ilona Christen und Hans Meiser die dritte tägliche RTL- Talk-Show („Bärbel Schäfer“) präsentieren dürfen.

Sicher, „Bahnhofs-Faktor“ hätte provinziell geklungen, doch Köln liegt nun mal nicht am Hudson, und Menschen, die die Zeit haben, täglich von zwei bis drei Uhr nachmittags „Bärbel Schäfer“ zu gucken, tummeln sich nicht auf dem Airport. Schnell wurde denn auch während der Vorabpräsentation der neuen Show in Hamburg klar, daß das beschworene Überseeflair, mit dem Lars-Uwe Höltich seinen Wortschatz so exzellent zu bestücken weiß, dem Publikum wieder vorenthalten werden wird. Warum sollte man auch ausgerechnet bei „Bärbel Schäfer“ Fernsehen wieder als „Fenster zur Welt“ inszenieren, wo doch die Zuschauer talktechnisch schon effektiv darauf konditioniert wurden, sich mit dem Blick ins Wohn- und Schlafzimmer des Nachbarn zufriedenzugeben?

Um echte Nähe und „explosiven Diskussionsstoff“ zu gewährleisten, wurden die ersten Themen der Show mit den Attributen „jung, frech, direkt“ bürgernah von der Straße geklaubt und immer schön aus der Ich-Perspektive formuliert: „Sex-Appeal bringt mich voran“, „Meine Schwiegermutter ist ein Biest“, oder heute: „Mein Freund hat keinen Geschmack“. Wem das bekannt vorkommt, der muß sich nicht wundern, schließlich ist „creativ“, die Produktionsfirma von „Bärbel Schäfer“, auch zuständig für „Gefragt“ und „Hans Meiser“.

Überhaupt Meiser: Der RTL- Quotenhengst scheint das Maß aller Dinge zu sein. Ilona Christen ist besonders deshalb okay, weil sie einen „Audience-Flow“ (Höltich, natürlich!) bewirke, der den Meiserschen Quotenspiegel nur noch erhöht. Christen und Schäfer also nur bessere Cheerleader für ihn, den Meister, der schließlich nicht dreimal täglich hintereinander auf Sendung gehen kann? „Ich moderiere aus den Zuschauerrängen heraus“, versucht Bärbel Schäfer sich und ihrer Show ein eigenes Profil zu geben. Immer und immer wieder betont die ehemalige WDR-Moderatorin („Hollymünd“), etwas ganz Neues zu machen, weil „ich die Zuschauer einbeziehe wie noch nie“. Und so ackert sie im Werbe-Trailer zu ihrer Show denn auch für zwei. Ständig zwischen den 150 Studiogästen unterwegs, ohne Angst, mit dem Mikro auch in das von Neurodermitis gezeichnete Gesicht eines weiblichen Gastes zu stoßen, gibt sie einen Satz Statement-Zeit und weiß auch tragische Themen – ohne Tempo oder gar ihr Lächeln einzubüßen – auf den Punkt zu bringen: „Ist das nicht mies? Die Frau schwanger und der Mann weg!“

Bärbel Schäfer gab sich in Hamburg überzeugt, das vom RTL-Bereichsleiter vorgegebene Plansoll von zwei Millionen Zuschauern pro Talk erfüllen zu können: „Die bringe ich dir“, lächelte die blonde Frau ihren Vorgesetzten selbstsicher an. Ihre Zehen mit den schwarzlackierten Nägeln ragten dabei seltsam gequält über den zu kurzen Rand ihrer offenen hölzernen Plateaupantinen.

Das ist ein Teil jener Wirklichkeit, die in ihrer Show der heißen Eisen wohl ausgeblendet werden wird. Claudia Thomsen

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