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■ Ein elektronischer Marktplatz: Der Computerdienst „Internationale Stadt Bremen“ will als Informations- und Tratschbörse für alle Bremer und Ex-Bremer offenstehen – aber die Besucher zieren sich noch

Fast klingt es wie in der Jacobs-Kaffeewerbung: „Seit ich die ,Internationale Stadt Bremen' entdeckt haben, fühle ich mich fast schon wieder wie zuhause!“ So jubelt z.B. Michael Heyder (gebürtiger Bremer, aber z.Zt. San Francisco) über Bremen. Bzw. über Bremens elektronischen Schatten: die „Internationale Stadt“, kurz: ISB. Die Stadtgründung liegt gerade mal drei Monate zurück. Im Juni nämlich installierten drei Bremer Computercracks die ISB als eine Art Informationsbörse im Internet. Wer sich über politische Ereignisse informieren oder auch auslassen will, wer das Kinoprogramm oder bloß die Abholtermine für den gelben Sack wissen will, erhält hier Auskunft, alles vom heimischen PC aus. Doch so begeistert wie der Ex-Bremer aus San Francisco äußern sich bisher nur wenige Besucher: Noch sind die Informationen dürftig, die Handhabung unpraktisch. Immerhin: „4000 Mausklicks“ hat die junge Firma mit Sitz im Bremer Designhaus im August gezählt; d.h.: so oft wurde ihr Dienst in Anspruch genommen.

Damit gibt es jetzt private Konkurrenz für ein ganz ähnliches Projekt der Bremer Uni. Dort arbeitet man seit einigen Jahren schon an einem „elektronischen Bürgerinformationssystem“. Der große Unterschied: Die Daten der Uni sollen über besondere Computer-Terminals abrufbar sein, in Büchereien, Ortsämtern und Bürgerhäusern – drei stehen bereits, der Rest der „Infotheken“ soll ab Januar aufgestellt sein; die Daten der „Internationalen Stadt“ hingegen sind von daheim aus – über das Internet – abrufbar. „Ein Buch lese ich doch auch zuhause und nicht am Bahnhof“, sagt Axel Klatt von ISB.

Beide Anbieter aber hadern noch mit dem Gehalt der Informationen, die da so flott und aktuell über den Bildschirm flimmern sollen. Für Einsteiger bietet die ISB jeden Dienstagabend „digitale Stadtrundfahrten“ an, aber ihre Stadt ist noch ziemlich öde. Wer sich auf den „Musik“-Pfad begibt, lernt ganze zwei Bremer Bands kennen, die hier ihre Selbstdarstellungstexte eingespeist haben. Unter „Media“ finden wir die versammelten Termine aus „Mix“ und „Zett“, die freilich auch nicht mehr hergeben als ihr gedrucktes Vorbild. Der Text läuft meist in ganzer Breite über den Bildschirm und ist somit schwer lesbar; den Vorteil, Hintergrundinformationen zu liefern, die per Mausklick abzurufen wären, nutzt noch niemand. Axel Klatt zuckt mit den Schultern: Die grafische Gestaltung der Seiten ist Sache der Anbieter; „da muß man natürlich ein bißchen Arbeit investieren“ – aber dafür fehlen den meisten Anbietern die Zeit und das technische Know-How.

Aber man ist ja noch am Anfang, heißt es immer wieder bei ISB. Mehr Leben sollen jene Besucherinnen und Besucher in die digitale Stadt bringen, die sich aus rein privatem Interesse einschalten. Für die hat man ein „Gästebuch“ eingerichtet, wo bereits die Hallos und lieben Grüße an die ISB hin- und herfliegen – viele von jenseits der Stadtgrenzen: Nachrichten von Ex-Bremern wie dem Herrn aus San Francisco sind keine Seltenheit. Mehr noch: Wer will, kann sich als „Einwohner“ registrieren lassen. Und seine eigene Infobörse aufmachen. Wer die Gebühr von 35 Mark pro Monat zahlt, darf sich nicht nur frei im Internet tummeln, sondern auch seine eigene „Homepage“ gestalten und auf ein weltweites Echo hoffen. Eine Einwohnerin namens „Hexe“ hat z.B. schon mal ihren eigenen „Hexe-Fanclub“ aufgemacht, in dem Gedichte und höherer Blödsinn ausgetauscht werden – 312mal bekam sie im letzten Monat Besuch, einer der Renner in der ISB.

„Internationale Stadt“ – der etwas großspurig anmutende Titel ergibt sich aus dem Anspruch, tatsächlich weltweit via Internet zu kommunizieren. Wer sich auf den digitalen Bremer Marktplatz begibt, hat von dort aus auch Zugang z.B. zur „Internationalen Stadt Berlin“ oder zur „Digital City Amsterdam“. Die Holländer zählen bereits 120.000 Gäste pro Monat. Dort werde sowas massiv von der Stadt unterstützt, sagen die Bremer. Und auch die Werbung hat den neuen Marktplatz als lukrative Plakatfläche erkannt: Die Stadtwerke und der Computerhersteller „Sun Graphics“ zählen zu den Inserenten. In Bremen gibt man sich bescheidener. Ein Zoogeschäft macht hier Werbung; per Computer kann man sein Angebot unter der Rubrik „Markt“ abrufen. Irgendwann mal, hofft Klatt, soll sich die ISB über solche Einnahmen zur Gänze tragen – und möglichst Profit abwerfen. Bis dahin überlegt man, wie und ob man nicht mit dem Uni-Projekt kooperieren und beide Dienste zusammenlegen kann – denn auch die Unidaten sollen demnächst nicht nur stationär, sondern übers Netz zu lesen sein. tw

ISB ist erreichbar über die Computeradresse http:/ www.is-bremen.de – oder, etwas konventioneller, über 0421/ 21 25 41

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