Sanssouci: Vorschlag
■ Japanische Generation X: „Fahrradseufzer“ ab heute im fsk-Kino
„Yokohama, Nakamachi Nr. 10.“ Aus dem Off spricht Keito seine Adresse. Immer wieder wird er sie gebetsmühlenartig wiederholen, wird beschwörend seine Geburtsstadt, die Straße, die Hausnummer aufsagen. Immer wieder, wie um sich selbst den letzten Fixpunkt seines Lebens zu sichern. Keito und Shiro haben die Schule beendet, die Zulassung zum Studium blieb ihnen verwehrt. Sie büffeln sich lustlos durch einen Kurs, der sie auf die neuerliche Aufnahmeprüfung vorbereiten soll. Noch in der Nacht stehen sie auf, um mit ihren Fahrrädern Zeitungen auszutragen. Ansonsten hängen sie auf einem Spielplatz herum, träumen von unbeschwerteren Tagen, als sie sich hier mit Freunden zum Baseballspielen getroffen hatten. Damals hatten sie sich einen Spieler dazu erfunden, weil sie niemals genug für eine vollständige Mannschaft waren. In ihren Tagträumereien nimmt dieser Spieler Gestalt an, dann trägt er eine Godzilla-Maske.
Die Menschen in diesem Film klopfen nicht an Scheiben, sie schlagen mit dem Kopf dagegen – aber nur sehr vorsichtig. Sie sitzen in menschenleeren U-Bahn-Stationen und singen ein „Happy Birthday“, das gruselig nachhallt. Sie stehen Rücken an Rücken in verschiedenen Telefonzellen und versuchen vergeblich, sich zu erreichen. Dann tragen sie wieder Zeitungen aus, jagen auf ihren Fahrrädern durchs Morgengrauen und plötzlich ist das Leben schnell und ein Abenteuer. „Ich habe ein Drehbuch geschrieben gestern.“ – „Nicht zuviel masturbiert gestern?“ Shiro will einen Film zu Ende drehen, den sie gemeinsam begonnen haben. Der Film wird sich mit dem Leben vermengen und dabei genauso unvollendet bleiben wie dieses. Der Film hat den Titel „1st Base“ und diese erste Base, das erste Ziel, das man beim Baseball nach einem gelungenen Schlag erreicht, wird zum Symbol für das Scheitern der beiden am Leben. Der unsichtbare Spieler schlägt vor, die erste Base ins Unendliche zu verlängern, eines Tages packt er seinen Koffer und die Godzilla-Maske und macht sich auf den Weg. Sie folgen seiner Spur ...
Stillschweigend wurde vorausgesetzt, der Slacker sei ein Prototyp unserer Kultur. „Fahrradseufzer“, der Film des japanischen Regisseurs Sion Sono, beweist, daß die Generation X keine exklusive Ausgeburt der westlichen Zivilisation ist. Thomas Winkler
„Jitensha Toiki – Fahrradseufzer“, von und mit Sion Sono, Japan 1988/89, OmU, ab heute im fsk, Segitzdamm 2, Kreuzberg
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