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Michael Jordan bekämpft Lohnmütze

Die Basketballstars der NBA stimmen heute über die Auflösung ihrer Spielergewerkschaft ab. Sollte die Initiative von Michael Jordan Erfolg haben, droht ein langer Arbeitskampf  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Wenn Millionäre einen Arbeitskampf führen, hat das immer einen üblen Beigeschmack. So war es, als sich die Tennisspielervereinigung ATP mit dem Internationalen Verband (ITF) stritt und schließlich ihre eigene Tour veranstaltete; so war es bei den Baseballprofis und den US-amerikanischen Eishockeycracks; so ist es auch jetzt bei den Basketballern der NBA. Diese stimmen heute darüber ab, ob sie den Arbeitsvertrag, den ihre Gewerkschaft mit der Liga und den Klubbesitzern ausgehandelt hat, akzeptieren oder ihre Vertretung auflösen und dann im Rahmen der Anti-Trust-Gesetzgebung gegen die NBA vorgehen. In diesem Falle, das hat NBA-Commissioner David Stern deutlich gemacht, werde es keine Saison 1995/96 geben: „Die Besitzer werden die Spieler weiter aussperren.“

„Ich glaube, einige Superstars sind gierig“, bringt ein 13jähriger Fan die Meinung der meisten Basketballanhänger auf den Punkt. Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Die NBA boomt, und sowohl die Klubbesitzer als auch die Spieler wollen einen möglichst dicken Brocken vom Kuchen abbekommen. Doch während die Profite der Arbeitgeber tendenziell unbegrenzt sind, ist denen der Arbeitnehmer ein Riegel vorgeschoben: Die sogenannte „salary cap“. Eine Lohnobergrenze, die die Kosten der Arbeitskraft im nordamerikanischen Basketball relativ niedrig hält und gleichzeitig für Chancengleichheit sorgt, indem sie den Borussia-Dortmund-Effekt verhindert: daß momentan erfolgreiche und dadurch reiche Klubs ihre Stellung zementieren, indem sie sämtliche Topspieler aufkaufen.

Das verhaßte Lohnmützchen trifft, da es keinen Raum für Riesengehälter läßt, vor allem die Superstars, die auch am schärfsten gegen die Regelung opponieren. Im Vertrag, den die Spielergewerkschaft am 21. Juni mit der NBA aushandelte, war die salary cap jedoch weiterhin präsent und sogar noch verschärft. Außerdem wurde die sogenannte „Larry Bird exception“ abgeschafft, die es Klubs gestattete, ihre „free agents“ – altgediente Topspieler, die „frei“ sind, sich selbst ein Team auszusuchen – ohne Rücksicht auf die salary cap wiederzuverpflichten. Dies führte dazu, daß Leute wie Horace Grant in Orlando oder Toni Kukoc in Chicago zunächst einen niedrig dotierten Einjahresvertrag unterschrieben, um danach einen fetten Mehrjahreskontrakt abzuschließen.

Vor allem die Abschaffung dieser Möglichkeit, die salary cap auszutricksen, brachte etliche Spieler in Rage. Eine von keinem Geringeren als Michael Jordan angeführte Gruppe agitierte gegen die Übereinkunft und beantragte die Auflösung der Gewerkschaft. Daß Mißtrauen der Gruppe, der auch Patrick Ewing, Reggie Miller und Alonzo Mourning angehören, galt vor allem dem Exekutivdirektor der Players' Association, Simon Gourdine, dem Geheimniskrämerei vorgeworfen wurde. In der Vergangenheit habe er zu solchen Angelegenheiten geschwiegen, weil er der Gewerkschaft vertraute, sagte Jordan, nach Abschaffung der Larry-Bird-Klausel habe er sich jedoch verpflichtet gefühlt, etwas zu unternehmen. Rund 200 Spieler unterzeichneten die Ablehnung des neuen Arbeitsvertrages, dieser wurde ausgesetzt und die Profis daraufhin am 1. Juli von den Klubbesitzern ausgesperrt. NBA-Boss David Stern machte einige Manager von Topspielern für die Rebellion verantwortlich und kündigte an: „Wir verhandeln nicht mit dieser Bande von Agenten.“

Die Jordan-Gruppe ließ sich auch durch einen zweiten, wesentlich verbesserten Arbeitsvertrag nicht besänftigen, den die Gewerkschaft am 8. August aushandelte. Die salary cap wurde zwar beibehalten, soll aber von 15 Millionen Dollar auf zunächst 24 Millionen und bis zum Jahr 2000 auf 32 Millionen steigen. Die durchschnittlichen jährlichen Spielergehälter würden sich in dieser Zeit von 1,7 Millionen Dollar auf 3 Millionen erhöhen. Sogar die Larry Bird exception wurde in modifizierter Form wieder aufgenommen. Die free agents dürfen nach zwei Jahren für das Doppelte ihres Gehalts wiederverpflichtet werden.

Das alles ist zu wenig, sagt Michael Jordan und fragt: „Sollen wir etwa, weil Gefahr besteht, daß es keine Saison gibt, jeden vorgeschlagenen Deal akzeptieren?“ Seine Gruppe besteht auf der Gewerkschaftsauflösung, und so begeben sich heute diejenigen der 423 stimmberechtigten Profis zu den Urnen, die noch nicht am ersten Wahltag, dem 31. August, abgestimmt haben. Beide Parteien hatten umfangreiche Lobby-Arbeit geleistet und Videos, auf denen sie ihren Standpunkt erläutern, an jeden Spieler gesandt. Jordan und seine Mitstreiter hielten drei Meetings ab, zu denen rund 75 Spieler erschienen, die Gewerkschaft hatte 17 Informationsveranstaltungen mit 99 Leuten.

Richtig überzeugt sind auch die Befürworter des Abkommens vom 8. August nicht, im Interesse ihres Sports – und des Geschäfts – setzen sie sich dennoch dafür ein. „Basketball erlebt seine Blütezeit“, sagt Buck Williams, Spieler bei den Portland Trail Blazers und Präsident der Gewerkschaft, „wir wären Narren, wenn wir nichts von den anderen Sportarten gelernt hätten.“ Die Dream-Team-Mitglieder Clyde Drexler, Karl Malone und John Stockton teilen diese Meinung, ebenso wie Shaquille O'Neal und der zum besten Spieler der letzten Saison gewählte David Robinson: „Es ist nicht der beste Deal für die Spieler. Aber es ist auch nicht der beste für die Besitzer. Es ist ein Kompromiß“.

Karl Malone erinnert an die Verantwortung gegenüber dem Publikum: „Wir dürfen die Fans nicht vergessen. Die Saison muß stattfinden.“ Sollte dies nicht der Fall sein, könnten sich möglicherweise, wie letztes Jahr im Eishockey, die europäischen Basketballfreunde freuen. Weltmeister Dominique Wilkins ist angesichts der unsicheren Situation bereits bei Panathinaikos Athen gelandet, und auch Malone trägt sich mit Plänen, im Falle eines Sieges der Jordan-Gruppe nach Europa zu gehen. Am 12. September, wenn das Ergebnis bekanntgegeben wird, könnte der Exodus der NBA-Stars beginnen. Michael Jordan in Oberelchingen, Detlef Schrempf in Paderborn, Shaquille O'Neal in Gießen? Warum nicht? The show must go on.

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