: Pilzkiller lauern im Schlummertrunk
■ Die Bündnisgrünen fordern ein Reinheitsgebot für den deutschen Wein
Berlin (taz) – Im deutschen Wein sind bis zu 7.000mal mehr Pestizidrückstände enthalten als die neue EU-Trinkwasserverordnung erlaubt. Darauf wiesen gestern in Bonn die bündnisgrünen Abgeordneten Ulrike Höfken und Jürgen Rochlitz hin. Sie legten Untersuchungsergebnisse der Weinforschungsanstalt Geisenheim vor. Dabei wurde in Proben bis zu 700 Mikrogramm des Pilzgifts Iprodion pro Liter Wein und bis zu 330 Mikrogramm des Pilzmittels Procymidon gefunden. Zum Vergleich: Der Grenzwert der EU für Pestizide im Trinkwasser liegt bei 0,1 Mikrogramm. Noch höher sind die Konzentrationen in den frisch abgepreßten Mosten, die bis zu 4.000 Mikrogramm Procymidon enthalten. Bei der Vergärung, Filtrierung und der übrigen keltertechnischen Behandlung reduziert sich der Giftgehalt zwar beträchtlich, aber die Pilzmittel können nicht vollständig eliminiert werden. Selbst bei einer bestimmungsgemäßen Anwendung dieser Pestizide – dies habe auch die Bundesregierung auf Anfrage eingeräumt – sei nicht auszuschließen, daß Giftrückstände im Wein zurückbleiben. Rochlitz sagte gestern in Bonn, daß diese krebserregenden Stoffe aus der Chlorchemie „im Wein absolut nichts zu suchen haben“. Bei einem Grundnahrungsmittel wie Wein, das von vielen Menschen täglich konsumiert werde, müsse mindestens ein mit dem Trinkwasser vergleichbarer Maßstab angelegt werden.
Selbst die BASF warnt vor der Gesundheitsgefahr
Bisher gibt es aber keine Grenzwerte für den Wein, weder in Deutschland noch in der Europäischen Union. Als drittes gefährliches Pestizid nannten die Grünen Vinclozolin, das von der BASF vertrieben wird. Bei den Rückstandsuntersuchungen von insgesamt 445 Proben sind davon bis zu 20 Mikrogramm pro Liter Wein gemessen worden. Mediziner sind überzeugt davon, so die Bündnisgrünen, daß dieses Gift „die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen“ und „die Entwicklung des Kindes im Mutterleib möglicherweise schädigen“ kann.
Im vorrauseilenden Gehorsam hatte der Ludwigshafener Chemiekonzern die Winzer schon am Dienstag vor den Gesundheitsrisiken gewarnt. Außerdem sei der Warnhinweis auf die Packung gedruckt worden, daß ein unsachgemäßer Umgang die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtige, erklärte BASF-Sprecher Jürgen Altbrod. Schwangeren Winzerinnen, die mit dem Mittel umgehen, riet der Konzern neben einem Arbeitsanzug „Gummihandschuhe und Gummistiefel“ zu benutzen. Die BASF erwirtschaftet mit dem Pilzmittel mehr als 50 Millionen Mark Umsatz im Jahr.
Bündnis 90/Die Grünen wollen für ein Anwendungsverbot aller drei Pilzmittel streiten. Mindestens müsse aber der Trinkwassergrenzwert gelten. Analog zum Bier fordern sie ein „Reinheitsgebot“ für Most und Wein. Manfred Kriener
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